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Bekommt das militärische Kerneuropa einen harten Kern?

Von Thomas Roithner

Gastkommentare
Thomas Roithner ist Friedensforscher und Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Der neue deutsch-französische Freundschaftsvertrag legt in der Militär- und Rüstungspolitik ein neues Tempo vor.


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Aus gutem Grund wird über mangelnde internationale Zusammenarbeit geklagt. Nationale Interessen sind Trumpf. In der EU kann man davon ein Lied singen. Bei Migration, Konfliktlösung in Syrien, Chinas Seidenstraße oder Atomwaffen ist das Gemeinsame der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ein schlechter Witz.

Der Königsweg war der EU-Vertrag von Lissabon 2007. Kerneuropa war geboren. Die militärisch Potenten und politisch Willigen geben den Ton an, die anderen bleiben draußen. Im Dezember 2017 war das Instrument für Kerneuropa gefunden: Pesco, die ständige strukturierte Zusammenarbeit. Sie umfasst 25 Mitglieder - Österreich eingeschlossen - und wickelt derzeit knapp drei Dutzend Militär- und Rüstungsprojekte ab. Darunter durchaus Diskussionswürdiges wie eine Geheimdienstschule, die Eurodrohne oder neue Kampfhubschrauber.

Mit Kerneuropa sollte alles schneller gehen, und eine "reale Aufstockung der Verteidigungshaushalte" wurde als Verpflichtung eingemeißelt. Die lautesten Fürsprecher für Kerneuropa, EU-Rüstungsfonds oder militärisches Schengen sind in Deutschland und Frankreich zu finden. Auch die Vorstöße für ein neues EU-Kampfflugzeug stammen aus Berlin und Paris. Doch Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel geht alles zu langsam. Sie wollen - unterschiedlich formuliert - eine EU-Armee. Viele EU-Staaten bummeln allerdings, obwohl das als untersagt gilt. Also muss beim militärischen Kerneuropa ein wirklich harter Kern ran.

Der neue deutsch-französische Freundschaftsvertrag - der Vertrag von Aachen - legt in der Militär- und Rüstungspolitik ein neues Tempo vor. Üblicherweise bedeutete in der Vergangenheit eine deutsch-französische Interessenakkordierung auch einen Turbo für die EU. Dieser bilaterale Vertrag soll nun beim Militär "Leistungsfähigkeit, Kohärenz und Glaubwürdigkeit" stärken. Das bedeutet "Handlungsfähigkeit" und "gemeinsames Intervenieren". Eine parlamentarische Kontrolle ist im Vertrag nicht erwähnt. Schon heute sind die umstrittensten EU-Militäreinsätze (Tschad, Kongo, Horn von Afrika) im nationalen Interesse dieser beiden Kerneuropastaaten, und der Rest der EU wird vor den Karren gespannt.

Stärker als bisher sollen gemeinsame Rüstungsprogramme entstehen. Geld für Rüstungsaufträge soll deren globale "Wettbewerbsfähigkeit" gewährleisten. Ein gemeinsamer Ansatz für Rüstungsexporte - so die Befürchtung friedenspolitischer Kräfte in Deutschland - soll die deutschen Rüstungsexportbeschränkungen zum Purzeln bringen. Auf der Liste der größten Waffenhändler der Welt stehen Deutschland und Frankreich - nach den USA und Russland - schon heute auf den Plätzen drei und vier.

Internationale Zusammenarbeit wird im neuen Vertrag zweifach kerneuropäisch adressiert. Deutschland und Frankreich wünschen die Stärkung von EU und Nato. Nach Donald Trumps "America first" und den Brexit-Turbulenzen sollen beide Organisationen eng kerneuropäisch ticken. Zweitens soll Deutschland ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat werden. Frankreich sitzt schon drin. Mehr vom Gleichen hat die Welt nicht verdient.