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Bekräftigen, klarstellen, präzisieren

Von Jan Michael Marchart und Werner Reisinger

Politik

SPÖ-Mitglieder lehnen das Ceta-Abkommen ab. Manövriert sich der Kanzler in eine Sackgasse?


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Wien. Die Basis hat gesprochen. Zum ersten Mal befragte die SPÖ österreichweit ihre Mitglieder zu einem inhaltlichen politischen Thema. Nämlich, ob man dem EU-Kanada-Freihandelsabkommen Ceta zustimmen sollte. Teilgenommen haben nur 7,5 Prozent der Parteimitglieder (14.387), deren Meinung aber ist eindeutig: 88 Prozent lehnen es ab, dass das in Österreich unbeliebte Handelsabkommen vorläufig auf EU-Ebene angewandt wird. Teilgenommen haben auch über 9000 Nicht-SPÖ-Mitglieder.

Nicht nur aufgrund der breiten Ceta-Ablehnung hierzulande verwundert das Ergebnis nicht. Von den fünf Fragen, die die Parteispitze ihren Mitgliedern gestellt hat, war nur die erste offen formuliert. "Soll Ceta in Österreich in Kraft gesetzt werden, wenn darin die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten enthalten ist?", lautet etwa die zweite Frage. Das Thema internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Investitionsschutz für (vor allem große) Firmen ist ein besonders rotes Tuch für die Österreicher - wenn auch mit Ceta, im Gegensatz zum US-EU-Handelsabkommen TTIP, die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in abgeschwächter Form kommen soll. Vorgesehen ist die Schaffung eines eigenen Schiedsgerichtshofes, der von den beiden Vertragspartnern beschickt werden soll. Zudem ist ein Berufungsrecht vorgesehen - bei TTIP ist dies nicht geplant. Profitieren würden von der Schiedsgerichtsbarkeit allerdings vor allem große Konzerne, die in Kanada und Österreich Niederlassungen haben. Kleine Unternehmen wären benachteiligt. Auch deshalb lehnt die SPÖ-Basis die Schiedsgerichtsbarkeit vehement ab, und ihr Parteivorsitzender und Bundeskanzler Christian Kern sieht es genau so: "Sowohl in Österreich als auch in Kanada gibt es eine ordentliche Gerichtsbarkeit mit hohen Standards." Dass daneben eine neue Gerichtsbarkeit geschaffen werden soll, hält Kern für fraglich.

Unterzeichnung im Oktober

Fakt ist: Ceta ist fertig ausverhandelt und liegt auf dem Tisch. Im Oktober soll es planmäßig unterzeichnet werden, betont die slowakische EU-Ratspräsidentschaft. Nachverhandlungen, auch kapitelweise, wurden von kanadischer wie auch von europäischer Seite ausgeschlossen. Am Freitag tagt in Bratislava erneut der EU-Handelsministerrat, auf dem auch Österreichs Position behandelt werden wird. Man sei sich der lebhaften Diskussionen über Ceta bewusst, heißt es aus der EU-Kommission. Substanz gehe vor Geschwindigkeit, versucht man zu beruhigen. Die EU und Kanada arbeiten an einer "gemeinsamen Erklärung" zu Ceta, die EU-Handelsminister wollen, ebenfalls am Freitag, etwaige Unklarheiten im Vertragstext nochmals "präzisieren", "klarstellen", dass Ceta kein Zwang zu Privatisierungen und Deregulierungen darstellt sowie "bekräftigen", dass Arbeitnehmer- und Umweltschutzstandards gesichert sind. Mit dem neu geschaffenen Schiedsgerichtssystem für den Investitionsschutz seien unabhängige Entscheidungen sichergestellt, soll in der Erklärung zu lesen sein. Kosmetik und Kommunikation sind also angesagt.

Am Rande des UN-Flüchtlingsgipfels in New York am Montag nahm sich Kanadas Premierminister Justin Trudeau nochmals Zeit, mit Kern über dessen Ceta-Bedenken zu sprechen. Zuvor hatte Trudeau auf die Möglichkeit von "Zusatzprotokollen" hingewiesen, mit denen Bedenken ausgeräumt werden können. Am Mittwoch trifft Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland.

Währenddessen trommeln in Österreich die Grünen und die FPÖ in seltener Einheit gegen das Handelsabkommen und machen Druck auf Kern. Die Grünen fordern ihn auf, nach der SPÖ-Mitgliederbefragung jetzt "alle Register zu ziehen", die FPÖ wetzt die Messer und sieht ihn bei Ceta schon umfallen. Auch NGOs wie Attac, Greenpeace und Global2000 fordern: Kern soll Ceta stoppen.

Die EU-Kommission sieht im Ergebnis der Mitgliederbefragung "keinen massiven Widerstand" gegen Ceta. Auf Regierungsebene steht Kern bis auf Belgien mit seinem Anti-Ceta-Kurs alleine da. Am Montag schaffte es der deutsche SPD-Chef und Handelsminister Sigmar Gabriel, seine Partei bei Ceta auf Linie zu bringen und auch dem linken Parteiflügel ein "Ja" abzuringen. Hat sich Gabriel mit seiner Vorgangsweise, mit den SPD-Delegierten hinter verschlossenen Türen zu diskutieren, geschickter angestellt als Kern, der die Parteimitglieder befragen ließ? Hat sich der Kanzler in eine politische Sackgasse manövriert?

Für den Politikberater Thomas Hofer sieht es ganz danach aus. Gleich nach der Übernahme des SPÖ-Vorsitzes und der Kanzlerschaft beschloss die neue Parteispitze, das Instrument der Mitgliederbefragung im Herbst zu nutzen. "Bei Ceta wusste Kern außerdem eine breite Mehrheit hinter sich", sagte Hofer. "Interne Mitbestimmung, Transparenz - das klingt natürlich gut, man öffnet damit aber die Büchse der Pandora." Populistische Zuspitzungen, wie sie bei Ceta passiert seien, würden ein Agieren im staatspolitischen Interesse künftig schwieriger machen. Und zwar unabhängig vom Thema.

Verbesserung als Hintertüre

Tatsächlich will sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Niedermühlbichler eine Hintertüre für ein "Ja" zu Ceta offenlassen - wenn es entsprechende Verbesserungen und Klarstellungen gebe, sei eine Zustimmung durchaus möglich. Das Instrument der Mitgliederbefragung will er weiter ausbauen. So kann er sich etwa vorstellen, den - einmal erarbeiteten - Kriterienkatalog der SPÖ für mögliche Koalitionen der Basis zur Abstimmung vorzulegen. "Auch das wäre eine Festlegung, die gut klingt. Der Teufel steckt aber im Detail", sagte Politikberater Hofer. Man beraube sich damit nicht nur der Handlungsspielräume, sondern verschiebe den Diskurs auch immer weiter in Richtung Populismus.