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Belarus-Krise: Wenn Dialog den Sinn verliert

Von Gerhard Lechner

Politik

Weißrusslands Autokrat Lukaschenko wurde früher noch freundlich in Wien empfangen, nun ist die Atmosphäre frostig.


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Lange ist es nicht her. Vor gut zwei Jahren erst, Mitte November 2019, hat in Wien ein Staatsbesuch stattgefunden, der nicht unumstritten war. Der Gast: Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko. Der autoritäre Alleinherrscher von Minsk, der von der westlichen Presse seit Jahren mit dem wenig schmeichelhaften Titel "letzter Diktator Europas" bedacht wird, wurde bei dem damaligen Besuch seinem Ruf als Enfant terrible voll gerecht: Er verteidigte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen offen seinen autoritären Stil, stellte sein Land in Menschenrechtsfragen als mindestens so blütenweiß wie Österreich dar und kritisierte beim nachfolgenden Wirtschaftsforum die hiesigen Medien, die nur "Klischees" reproduzierten: In Belarus tätige österreichische Unternehmer hätten ihm "niemals Vorwürfe gemacht in Bezug auf Autoritarismus, Diktatur und Menschenrechte".

Es war Lukaschenkos erster Besuch in der EU seit der Aufhebung der - damaligen - Sanktionen gegen ihn. Einladungen nach Polen oder zum Gipfel der Östlichen Partnerschaft der EU nach Brüssel hatte der Autokrat zuvor bereits abgelehnt. Er hatte Gründe, bewusst zunächst nach Österreich zu fahren: Wien gehörte zu den Fürsprechern für ein Ende der damaligen Sanktionen (die dann auch tatsächlich aufgehoben wurden), und österreichische Investoren waren und sind im Land prominent vertreten. Weißrussische Staatsmedien schrieben damals, von allen EU-Staaten sei Österreich der Staat, der "am loyalsten gegenüber unserem Land" sei. Dieses Interesse an Belarus kam auch darin zum Ausdruck, dass Österreich seine Botschaft im (ebenfalls autoritär regierten) Aserbaidschan schloss und dafür eine in Minsk eröffnete.

"Flüchtige Opponenten"

Zwei Jahre später sind Bilder wie jene vom November 2019 unvorstellbar. Bekam der passionierte Skifahrer Lukaschenko damals vom österreichischen Ex-Kanzler Sebastian Kurz noch lächelnd ein Paar Ski überreicht, richtet Minsk Österreich mittlerweile Unfreundlichkeiten der gröberen Art aus. Ein "absolut feindseliger Schritt" sei die Belarus-Konferenz, die am Montag in Wien über die Bühne ging, sagte der weißrussische Außenminister Wladimir Makej im Vorfeld der Veranstaltung, ein "leeres und sinnloses Vorhaben". Kein einziger Vertreter des offiziellen Belarus werde daran teilnehmen.

Der Grund: Österreich hatte zu der Konferenz, die den Titel "Towards a prosperous and safe future for Belarus" ("In eine prosperierende und sichere Zukunft für Belarus") trug und die wegen des Corona-Lockdowns weitgehend online stattfinden musste, Vertreter der belarussischen Opposition geladen - auch und besonders Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Kanzler Alexander Schallenberg hatte sich - noch in seiner Zeit als Außenminister - zwar auch intensiv um die Teilnahme weißrussischer Offizieller bemüht, um das Ziel der Konferenz - "gemeinsam mit der Zivilgesellschaft Wege aus der aktuellen Krise in Belarus zu finden", wie ein Sprecher des Bundeskanzleramtes erläuterte - erreichen zu können.

Makej empfand ein solches Ansinnen jedoch als ungebührlich: Man werde mit den "flüchtigen Opponenten" Lukaschenkos nicht über einen Machtwechsel, eine Erneuerung oder Rekonstruktion von Belarus reden - schließlich läge der Staat nicht in Ruinen, sondern entwickle sich trotz der abermaligen Sanktionen prächtig (die Strafmaßnahmen hatte der Westen nach den mutmaßlich gefälschten Präsidentenwahlen im Vorjahr und der brutalen Niederknüppelung der Proteste gegen Lukaschenko verhängt). Russlands Außenminister Sergej Lawrow brachte ebenfalls seinen Unmut gegenüber der Konferenz zum Ausdruck: Er ortete in der Initiative einen Überlegenheitsdünkel von westlicher Seite.

Es war also nicht, wie eigentlich geplant, ein Dialog-Event zwischen Vertretern der Opposition und der weißrussischen Führung, das da am Montag über die Bühne ging. Es war vielmehr ein "starkes Signal der Unterstützung" für die demokratische Opposition in Belarus, wie Schallenberg bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Tichanowskaja, Außenminister Michael Linhart und dem EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, Olivér Várhelyi, betonte.

Anderer Ton als früher

Der Bundeskanzler zeigte sich ob des Muts der weißrussischen Regimegegner beeindruckt und schlug gegenüber Lukaschenko auch aufgrund dessen "staatlich gesponserter hybrider Attacke" mit "Migranten als Waffe" einen deutlich raueren Ton an, als er früher für Österreichs Belarus-Politik kennzeichnend war. Die EU, so Schallenberg, dürfe sich nicht von dem Autokraten in Minsk erpressen lassen. Österreich stehe weiter klar hinter Polen, Lettland und Litauen, deren Steuerzahler die nötigen Grenzbefestigungen nicht allein finanzieren sollten. Hier müsse die EU solidarisch sein. Deutschland lehnte am Montag dann auch das Ansinnen Lukaschenkos, Berlin möge 2.000 Migranten aufnehmen, ab - und blieb somit gegenüber dem Diktator in Minsk konsequent. Tichanowskaja betonte - wie auch Schallenberg - zwar die Wichtigkeit des Dialogs, um die Krise in Belarus zu lösen. Sie forderte den Westen aber eindringlich auf, nicht mit Lukaschenko zu diskutieren. "Ihm kann man nicht vertrauen. Er kann auch nicht ,umerzogen‘ werden. Die Erfahrung zeigt, dass bei ihm nur Druck wirkt", sagte die ehemalige Präsidentschaftskandidatin.

An Stelle des Dialogs mit Lukaschenko solle der "Dialog zwischen Weißrussen" treten. Das sei freilich schwer, denn "welchen Dialog kann man haben, wenn diejenigen, die Teil dieses Dialogs sein sollten, im Gefängnis sitzen? Wenn jeden Tag Menschen in den Gefängnissen des Staatssicherheitsdienstes KGB gefoltert werden?"

Prominent besetzte Konferenz

Echter Dialog, so Tichanowskaja, sei nur möglich, wenn die politischen Gefangenen freigelassen werden und die Gewalt aufhört - zuvor solle die EU von Kontakten mit dem Regime absehen. Der Anruf der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bei Lukaschenko habe deshalb für viele in Belarus "seltsam" gewirkt, sei aber nicht als Anerkennung des Despoten durch den Westen zu verstehen.

An der Online-Konferenz, die ursprünglich auf eine Initiative der weißrussischen Opposition zurückging, nahmen prominente Oppositionelle teil. So etwa Tichanowskajas ehemalige Mitstreiterin Weronika Tsepkalo und ihr Mann Waleri, dessen Kandidatur gegen Lukaschenko vom Regime verhindert wurde.