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Belastende Papiere "jetzt zugänglich"

Von Matthias Bernold

Politik

Die New Yorker Anwälte Edward Fagan und Bob Swift sowie der deutsche Anwalt Michael Witti haben Donnerstag in Wien auf die Bedeutung des zwischen Holocaust-Überlebenden, Bank Austria (BA) und | Creditanstalt (CA) geschlossenen Vergleichs für die Durchsetzung der Ansprüche gegen deutsche Großbanken hingewiesen. Fagan lobte die Kooperationsbereitschaft der heimischen Banken und erklärte, dass | in Österreich nun Zugang zu jenen Dokumenten möglich sei, deren Herausgabe Deutsche Bank und Dresdner Bank bisher verweigert hätten.


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Fagan und Witti präsentierten das Faksimile eines Schriftstückes, das nach ihren Angaben beweist, dass Adolf Eichmann bei der Länderbank ein Konto unterhalten habe, auf das jüdische Gelder aus dem

Ausland eingezahlt worden seien.

Eichmann habe im Jahr 1939 ausländische jüdische Gemeinden aufgefordert, durch Zahlungen auf dieses Konto die Sicherheit österreichischer Juden zu erkaufen. Um Juden vor der Flucht noch

auszuplündern, hatte Eichmann in Wien eine "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" eingerichtet. Dort wurden die "bürokratischen Prozesse", wie der Raub von Hab und Gut genannt wurde,

zusammengefasst. "Die Länderbank hat das Konto geführt und die Dresdner Bank die Länderbank", formulierte Fagan.

Der US-Anwalt fand großes Lob für BA und CA. "Wir waren regelrecht überrascht über die Offenheit zu Verhandlungen."

Belastende Dokumente jetzt zugänglich

Die deutschen Banken müssten sich darüber im Klaren sein, dass belastende Dokumente "jetzt zugänglich" seien.

Fagan verwies auf die Unterlagen des früheren Spitzen-Managers der Deutschen Bank, Hermann Abs, der im Zusammenhang mit der Übernahme durch den deutschen VIAG-Konzern zur Steuerung der CA nach Wien

geschickt worden sei. "Wir haben seine komplette Akte", erklärte Fagan, der die Kopie einer handschriftlichen Aktennotiz von Abs vorlegte. Nähere Angaben dazu wollte Fagan nicht machen.

Witti übte gleichfalls Kritik am Verhalten der deutschen Banken in Sachen Holocaust-Überlebende. Deutsche Bank und Dresdner Bank seien nicht kooperationsbereit und hätten sich bisher geweigert,

Dokumente zugänglich zu machen. Der Vergleich mit den österreichischen Instituten, der die in Österreich lagernden Archivbestände zugänglich mache, sei "ein enormer Fortschritt für die Opfer. Er

hilft uns, die Ansprüche in Deutschland durchzusetzen".

Historikerkommission

Das zuständige Gericht hatte im Laufe des Vergleichsverfahrens auch der Einsetzung einer Historikerkommission zugestimmt, die Akten aus CA- und BA-Beständen prüfen und archivieren soll. Als

Mitglieder dieser Kommission wurden der deutsche Rechtsanwalt und Historiker Heinrich Senfft sowie die österreichischen Historiker Oliver Rathkolb und Theodore Venus bestellt. Fagan betonte aber,

dass das Ergebnis dieser Untersuchungen für den CA/BA-Vergleich nicht relevant seien. Sie dienten nur zur Vorbereitung von Klagen gegen deutsche Unternehmen.

Wiesenthal erhält Kommitteevorsitz

Am Mittwoch bestellte die zuständige Richterin Shirley Wohl Kram den Gründer des Jüdischen Dokumentationszentrums für die Opfer des Nationalsozialismus, Simon Wiesenthal, zum Leiter des

"Restitutionskommittees". Das Kommitee hat nach in Kraft treten des Vergleichs für die Verteilung der Gelder zu sorgen. BA und CA hatten im Mai entschieden, rund 40 Mill. Dollar für die Abgeltung der

Ansprüche bereitzustellen. Fagan zufolge sollen davon 38 Mill. für die Entschädigung der Opfer aufgewendet werden, der Rest wird der Historikerkommission zur Verfügung gestellt.

"Wir wollen die Liste nicht"

Fagan kündigte an, dass ab nächster Woche alle an der Sammelklage Beteiligten über den Vergleich informiert werden. Aber auch nicht namentlich bekannte Personen sollen durch eine weltweite

Veröffentlichung die Möglichkeit erhalten, Stellung zu nehmen, Einwände zu erheben oder aus dem Vergleich auszusteigen.

In diesem Zusammenhang betonte Fagan, dass er nie Interesse hatte an der Veröffentlichung der Namensliste der 29.000 Holocaust-Opfer, die sich im Besitz des österreichischen Nationalfonds befindet.

"Wir wollen die Liste nicht", meinte Fagan, "wir wollen nur, dass die Benachrichtigungen verteilt werden".

Im Internet unter http://www. austriabankclaims.com wurde eine Seite für Betroffene eingerichtet.

Am 1. November wird vor dem New Yorker Gericht ein "Fairness-Hearing" stattfinden, bei dem alle Teilnehmer der Sammelklage ihre Einwände einbringen können.