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Belastungstest mitten im Sturm

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer: Egal, wer von beiden als künftiger Bundespräsident in die Hofburg einzieht, wird dem Amt einen neuen Stempel aufdrücken. Die Ära großkoalitionärer Staatsnotare, die, wenn überhaupt, im Hintergrund agierten, ist vorbei.

Das hat weniger damit zu tun, dass beide Kandidaten für den Fall ihrer Wahl ankündigen, ein "aktiver Bundespräsident" zu sein. Diese Behauptung hat noch jeder Kandidat der letzten Jahrzehnte aufgestellt. Es reicht, dass Van der Bellen wie Hofer nicht nur außerhalb der sozialpartnerschaftlichen Kultur, sondern zum Teil sogar gegen diese politisch sozialisiert wurden.

Offen ist nur, wie deutlich der Bruch mit der Tradition ausfallen wird. Viel deutet darauf hin, dass mit dem deutlich angriffigeren Freiheitlichen die Veränderungen radikaler ausfallen würden als mit dem ehemaligen Grünen-Obmann an der Staatsspitze, dessen persönlicher Habitus eher auf Ausgleich angelegt ist.

Fix ist auf jeden Fall, dass der Neue in der Hofburg die geschriebene wie die ungeschriebene Verfassungswirklichkeit einem Belastungstest unter Alltagsbedingungen unterziehen wird. Ein Bundespräsident, der auf seinen mitunter weit-
reichenden Befugnissen beharrt, war bisher im Drehbuch der Zweiten Republik nicht vorgesehen. Bis dato hat sich (bis auf Klestil) noch jedes direkt gewählte Staatsoberhaupt dem politischen Primat der indirekt gewählten Regierung unterworfen hat. Es waren SPÖ und ÖVP, die seit 1945 im Regiesessel Platz genommen hatten, um das Zusammenspiel der wichtigsten Institutionen zu koordinieren und zu kontrollieren. Das ist nun endgültig Vergangenheit.

Und wie immer, wenn etwas Bestehendes endet und Neues anbricht, ist die Verunsicherung groß, was größer sein wird: die Chancen auf einen befreienden Aufbruch oder die Risiken für ein hereinbrechendes Chaos.

Vor kurzem hätte man diese Sorgen noch belächelt. Schließlich reden wir "nur" vom Bundespräsidenten, einem Amt, dem gerne jede politische Relevanz abgesprochen wurde.

Davon ist heute nichts mehr zu hören. Die Politik hat sich am Motto eines Glücksspielkonzerns ein Vorbild genommen, wo es heißt: "Alles ist möglich". Dass sogar hier der Staat dahintersteckt, könnte man als beruhigendes Omen werten, würden sich nicht rundum Staaten sehenden Auges selbst in Schwierigkeiten bringen.