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Belgien soll 700 Millionen Euro an Steuerschuld eintreiben

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Kommissarin Vestager will Steuergerechtigkeit.
© Francois Lenoir

EU-Kommission ortet unzulässige Vergünstigungen für mindestens 35 multinationale Unternehmen.


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Brüssel. Das Wort "Steuerparadies" kann durchaus verschiedene Bedeutungen haben. Wenn etwa EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gefragt wird, ob es noch viele solcher Orte in Europa gebe, lächelt sie leicht und erklärt ihre Definition: Paradiesisch wäre für sie, wenn jeder seinen gerechten Anteil an Steuern zahlen würde. So betrachtet, hat sich die EU noch nicht in einen himmlischen Zustand versetzt. "Doch wir versuchen es", befand Vestager bei einer Pressekonferenz in Brüssel.

Den Kampf gegen Steuerhinterziehung und -flucht hat die Gemeinschaft schon vor einiger Zeit zu einer Priorität erklärt. Untersucht werden in diesem Rahmen auch legale Formen der kreativen Buchführung, die es vor allem grenzüberschreitend tätigen Konzernen erlauben, beispielsweise durch die Verschiebung von Gewinnen ihre Steuerlast zu drücken. Medienberichte über das Ausmaß der Vermeidung von Abgaben - unter anderem die sogenannte "Lux Leaks"-Affäre - sorgten zusätzlich für Empörung.

Doch nicht nur in Luxemburg suchten sich Unternehmen ihre Steuer-Schlupflöcher. Auch Irland oder Belgien hat die EU-Kommission einer Prüfung unterzogen. Und eine belgische Regelung hat die Behörde nun für unrecht erklärt: Gewisse Vergünstigungen bei Gewinnüberschüssen multinationaler Firmen seien eine unzulässige Staatsbeihilfe. Daher sollen die belgischen Behörden das Geld nachfordern - in Summe geschätzte 700 Millionen Euro.

Betroffen sind mindestens 35 Konzerne, deren Namen die Kommission noch nicht bekanntgeben möchte. Es handelt sich aber vor allem um europäische Unternehmen, anders als in den Untersuchungen gegen US-Firmen wie Apple, Starbucks oder McDonald‘s. Allerdings sollen nicht einzelne Nationen oder Marken an den Pranger gestellt werden, betont Vestager immer wieder. Vielmehr müssen die Systeme beleuchtet werden.

Im belgischen Fall konnten sich Konzerne auf der Grundlage von Steuervorbescheiden eine Reduktion ihrer Abgaben sichern: Die vor gut zehn Jahren in Kraft getretene Regelung erlaubte es, die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer um 50 bis 90 Prozent zu verringern. Das sollte ein Ausgleich für den sogenannten Gewinnüberschuss sein, der auf die Zugehörigkeit zu einer multinationalen Gruppe zurückzuführen sein soll. Die Kommission sieht darin erhebliche Vorteile für bestimmte Unternehmen - und das sei wettbewerbsverzerrend. Kleinere Konkurrenten, die nicht multinational agieren, seien so im Leistungswettbewerb benachteiligt, stellte Vestager fest.

Grüne erfreut

Die Regierung in Brüssel hat diese Praxis im Vorjahr, nach Beginn der Ermittlungen der Kommission, ausgesetzt. Finanzminister Johan Van Overtveldt gab sich daher über die Entscheidung der EU-Behörde wenig überrascht. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Rückforderungen in Höhe von 700 Millionen Euro ernsthafte Konsequenzen für die Firmen hätten und außerdem rechtlich "schwierig" seien. Einen Einspruch gegen die Forderung der Kommission schloss er nicht aus.

Erfreut über deren Vorgehen zeigten sich hingegen die Grünen im EU-Abgeordnetenhaus, die wesentlich an der Einrichtung eines parlamentarischen Sonderausschusses zur Untersuchung von Steuerbegünstigungen beteiligt waren. Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, lobte, dass nun nicht nur ein einzelnes Unternehmen, "sondern ein gesamtes System zur Steuervermeidung" verurteilt werde. Er forderte aber weitere Schritte - wie eine gemeinsame Bemessungsgrundlage zur Unternehmensbesteuerung.

Dagegen hätte die Kommission wenig einzuwenden. Allerdings ist sie mit dem Wunsch nach Harmonisierung bisher am Widerstand etlicher Mitgliedstaaten gescheitert. Dennoch möchte sie Ende des Monats weitere Vorschläge präsentieren, wie etwa die Umgehung der Körperschaftssteuer eingedämmt werden kann.