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Belgiens Regenbogen wird violett

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Brüssel - Belgiens Regenbogenkoalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen, die bisher über 94 Mandate im Abgeordnetenhaus verfügt hat, ging aus dem Parlamentswahlen am Sonntag trotz des schlechten Abschneidens der Grünen gestärkt hervor. Allgemein wird erwartet, dass die Grünen, die nur im wallonischen Landesteil die Fünfprozenthürde schafften, der künftigen Regierung nicht mehr angehören werden und Ministerpräsident Guy Verhofstadt ein Kabinett aus Liberalen und Sozialdemokraten, eine sogenannte "violette" Koalition bilden wird, die über 97 von 150 Sitzen verfügt.


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Verhofstadt hat Montag bei König Albert II. formell den Rücktritt seiner Regierung eingereicht. Gemäß der belgischen Verfassung muss der König nach der Parlamentswahl vom Sonntag einen Politiker mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. Allgemein wird damit gerechnet, dass dies Verhofstadt, der Chef der flämischen Liberalen, sein wird, da seine Partei mit 15,4 Prozent die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Die flämischen Liberalen (VDL) ziehen in das neue Parlament mit 25 Sitzen ein, zwei mehr als bisher und stellen eine ebenso starke Fraktion wie die wallonischen Sozialisten (PS), die sechs zusätzliche Abgeordnete stellen, aber landesweit nur auf 13 Prozent Stimmanteil kamen. Drittstärkste Fraktion sind die wallonischen Liberalen (MR) von Außenminister Louis Michel, die mit 11,4 Prozent Stimmenanteil 24 Sitze (+6) eroberten, vor den flämischen Sozialdemokraten (SP.A/Spirit), die mit 14,9 Prozent der Stimmen zwar landesweit zweitstärkste Partei wurden, aber nur 23 Abgeordnete stellen, neun mehr als bisher. Mit ihrem neuen Parteichef Steve Stevaert konnten sie 5,4 Prozent zulegen und gelten als die großen Gewinner der Wahlen.

Zulegen - um 1,7 Prozent und drei Mandate - konnte auch der rechtsextreme Vlaams Blok, der künftig 18 Mandatare im Brüsseler Parlament stellt, von allen anderen Parteien aber ausgegrenzt wird.

Neben den Grünen, die im flämischen Landesteil an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten und ihre dortigen 9 Mandate verloren und im wallonischen Landesteil von 11 auf vier Sitzen zurückfielen, waren die Christdemokraten die großen Enttäuschten des Wahlabends. Der flämische Flügel verlor 0,8 Prozent der Stimmen und stellt nun mit 13,3 Prozent nur mehr 21 Abgeordnete (-1), im wallonischen Landesteil ging die dortige Partei von 5,9 auf 5,5 Prozent zurück und büßte zwei ihrer bisher 10 Mandate ein. Je ein Mandat entfiel auf die wallonische rechtsextreme Front National (FN) und auf die flämische Splittergruppe NVA, die aus der früheren Volksunion hervorgegangen ist.

Der scheidende und vermutliche neue Regierungschef Guy Verhofstadt , desen Partei seit 1987 zum fünftenmal Stimmen und Mandate dazugewonnen hat, freute sich, dass er als erster Regierungschef seit zehn Jahren aus den Wahlen gestärkt hervorgegangen ist. Auch der Chef der wallonischen Sozialdemokraten, Elio di Rupo, der in seinem Wahlkreis Hennegau zu den bisherigen acht SP-Mandaten zwei weitere dazugewinnen konnte, freute sich darüber, dass seine Partei erstmals seit langer Zeit nicht für die Regierungsbeteiligung von Wählern bestraft wurde. Zusammen mit den flämischen Sozialdemokraten erreichte die wallonische SP sogar 1,2 Prozent mehr Stimmen als die liberalen Parteien aus beiden Landesteilen. Einen nicht unerheblichen Anteil daran hatte der neue flämische SP-Chef Steve Stevaert, der erst im Frühjahr Parteichef wurde. In seinem Wahlkreis Limburg konnte er den Anteil der SP-Stimmen von 18,9 auf 32,7 Prozent ausbauen und zu den bisherigen zwei Sitzen zwei neue dazugewinnen.

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Splitter

Der Trainer des deutschen Fußball-Bundesligisten Schalke 04, Marc Wilmots, wird Abgeordneter im belgischen Parlament. Wilmots stand auf der Kandidatenliste des liberalen Mouvement Reformateur (MR) für die Wahlen zum Senat, dem Oberhaus des Parlaments, auf Platz vier. Der MR von Außenminister Louis Michel errang fünf Mandate im Senat, so dass der Wechsel des früheren Kapitäns der belgischen Fußball-Nationalmannschaft in die Politik sicher ist. Wilmots hatte vor den Wahlen angekündigt, sich besonders um Themen wie Sport und Jugend kümmern zu wollen.

So wie sich die flämischen Liberalen und Sozialisten ein Kopf-an-Kopfrennen lieferten, so taten es auch ihre Spitzenkandidaten, der amtierende Premier Guy Verhofstadt und der neue flämische SP-Chef Steve Stevaert bei den Vorzugsstimmen. Im Abgeordnetenhaus hatte Verhofstadt mit 139.079 Nennungen die Nase leicht vor Stevaert, der 130.339 Vorzugsstimmen einfuhr. Im Senat lag aber Stevaert mit 581.743 Vorzugsstimmen klar vor Verhofstadt (540.861). Nummer drei im Senat war Außenminister Louis Michel von den wallonischen Liberalen mit 339.145 Stimmen.