Belgien hat mit 1. Juli turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft von Schweden übernommen. Dominierende Themen werden die Erweiterung und die Reform der Union sein. Belgien muss zudem die letzten Vorbereitungen für die Einführung des Euro treffen. Bereits seit Jahresbeginn führt der EU-Gründerstaat den Vorsitz in der Gruppe der 12 Euro-Länder, da Schweden nicht an der gemeinsamen Währung teilnimmt.
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Der erste Termin, den die belgische Ratspräsidentschaft auszurichten hat, ist gleich diese Woche der EU-Ministerrat für Arbeit und Soziales kommenden Freitag in Lüttich. Schwierige Kapitel stehen Belgien in den Verhandlungen mit den EU-Beitrittswerbern bevor: Verkehr, Energie, Steuern, Zollunion, Justiz und Inneres, Fischerei, Wettbewerb, Finanzkontrolle und die nicht-finanziellen Aspekte der Landwirtschaft. Zu all diesen Fragen müssen sich die Mitgliedstaaten aber erst auf eine gemeinsame Position einigen. Zudem finden in Kandidatenländern im Herbst nationale Wahlen statt, darunter in Polen, dem mit nahezu 40 Millionen Einwohnern größten EU-Beitrittswerber.
Das zweite Großprojekt für die Union, das der belgische Vorsitz anzupacken hat, ist die Vorbereitung der nächsten Reform der EU-Verträge, die 2004 ansteht. Dazu soll im Dezember, beim belgischen EU-Abschlussgipfel in Laeken, ein "offenes Forum" installiert werden, in das Reformideen aus allen Mitgliedsländern einfließen sollen. Gefeilscht wird noch um die Zusammensetzung der Reformgruppe (mit Vertretern der nationalen Regierungen und Parlamente, vielleicht Europa-Abgeordneten und sogar nicht-staatlichen Organisationen). Belgiens Premierminister Guy Verhofstadt lässt sich bei der Vorbereitung der nächsten EU-Reform von vier erfahrenen (Europa-)Politikern beraten: Ex-Kommissionspräsident Jacques Delors, Belgiens Ex-Premier Jean-Luc Dehaene, Polens Ex-Außenminister Bronislaw Geremek sowie von Italiens Ex-Premier Giuliano Amato. Verhofstadt selbst hat bereits beim Europa-Forum Wachau vergangene Woche seine EU-Reformvorstellungen präsentiert: Die Kommission müsse gestärkt werden und solle eine europäische Regierung bilden, der Kommissionspräsident sollte direkt von den Bürgern gewählt werden, und unter anderem mehr forderte Verhofstadt, die Vielzahl der EU-Verträge zu einer Verfassung zusammen zu führen.
Zudem will sich Belgien während seiner EU-Präsidentschaft für eine Europa-Steuer stark machen. Skeptisch dazu hat sich zuletzt jedoch der für Steuerfragen zuständige Binnenmarktkommissar, Frits Bolkestein, gezeigt. Mitgliedstaaten wie Großbritannien, Dänemark, Schweden und Irland hätten bereits Widerstand gegen eine "weitere EU-Einmischung in die nationale Steuerpolitik" angemeldet.
Weitere Themen werden sein die Zinsertragssteuer und das damit zusammenhängende Steuerpaket der EU. Das umstrittene Gemeinschaftspatent soll in diesen sechs Monaten kommen, der nach mehr als einem Jahrzehnt des Streits beschlossenen Europa-AG soll mit Rahmenbedingungen Leben eingehaucht werden. Belgische Prioritäten sind außerdem die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Asyl- und Migrationspolitik, die Beziehungen zu Russland und dem Balkan.
Die belgische EU-Präsidentschaft ist im Internet erreichbar unter: http://www.eu2001.be/.