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Belgrad will Sonderstatus für Norden des Kosovo

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Stefanovic: Serbische Institutionen im Nordkosovo sind die einzigen, die es gibt.


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"Wiener Zeitung": Die Führung in Belgrad betont: Serbien will beides - die europäische Perspektive und den Kosovo. Halten Sie das noch immer für vereinbar?

Borislav Stefanovic: Das ist die einzige Politik, die in Serbien Erfolg haben kann. Diese beiden Seiten sind Teil unserer Identität, und wir müssen beide Probleme lösen. Jede Partei, die nur die europäische Perspektive verfolgen und den Kosovo aufgeben würde, würde ihre Glaubwürdigkeit verlieren - nicht nur zu Hause sondern auch in Brüssel.

Stefanovic hofft auf Datum für EU-Gespräche noch heuer.

Sie glauben, dass Brüssel unter solchen Umständen EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien aufnehmen würde?

Wir haben ja auch den Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Es wird schwierig werden, aber wir arbeiten darauf hin, im Dezember ein Datum für den Start von Verhandlungen zu bekommen. Ich glaube, jeder in Europa weiß, dass Serbien die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen wird, und diese Forderung deswegen gar nicht auftauchen wird. Doch wollen wir den Dialog mit Pristina vorantreiben.

Was soll am Ende dieser Gespräche stehen?

Dass der Kosovo eine Entität ist, in der es keine Segregation von Serben gibt und wohin diese zurückkehren können. Denn es wurden 240.000 Serben vertrieben. Fragen zu Besitzverhältnissen und vermissten Personen sollten gelöst sein und ebenso die Probleme, die unsere Unternehmen derzeit im Kosovo haben. Garantien zum Schutz der Serben im Süden wie auch der Klöster und Kirchen sollten gegeben werden. Und der Norden sollte einen Sonderstatus bekommen. Es gibt Beispiele dafür. Etwa in Südtirol. Oder die zwei Deutschlands.

Die haben sich wiedervereinigt.

Vielleicht werden wir mit dem Kosovo auch wiedervereinigt. In einem vereinten Europa.

Im Moment ist es allerdings oft ein Problem, beide Parteien überhaupt an einen Verhandlungstisch zu bekommen. Dabei wurden bereits einige Kompromisse erzielt. Warum ist die Umsetzung von Vereinbarungen derart schwierig?

Wir tun, was wir können. Doch Pristina provoziert mit einseitigen Maßnahmen und sogar Gewaltakten gegen Serben. Erst vor kurzem wurde eine serbische Delegation angegriffen, die zu Gesprächen über die Umsetzung der Abkommen angereist war. Auch gibt es Versuche, den Serben im Norden ihre Ausweise oder Autokennzeichen wegzunehmen.

Zu Gewaltakten kommt es auf beiden Seiten. Im Nordkosovo ist vor kurzem ein Mann getötet, ein anderer schwer verprügelt worden. Kosovarische Behörden können sich dort offensichtlich kaum durchsetzen. Wie ist der Einfluss Belgrads?

Auch der ist eingeschränkt, weil die lokalen Behörden von den Menschen dort gewählt wurden. Es ist aber unzulässig zu sagen, dass im Norden lauter Kriminelle leben. Verbrechen gehören strafrechtlich verfolgt und bestraft, doch Serbien hat keine Möglichkeit der Rechtsprechung im Nordkosovo.

Es finanziert dort aber Behörden und Schulen, was die internationale Gemeinschaft als Erhaltung von Parallelinstitutionen kritisiert. Noch dazu muss auch Serbien sparen. Wäre das nicht die Gelegenheit für Budgetkürzungen?

Es ist doch die Pflicht jeden demokratischen Staates, seine Landsleute zu unterstützen. Würden wir es nicht tun, wäre es ein Desaster. Denn die sogenannten Parallelinstitutionen sind gar nicht so parallel zu anderen: Sie sind die einzigen. Und wenn sie abgeschafft werden würden, gäbe es überhaupt keine Institutionen.

Pristina würde gern eigene haben.

Das ist eine gefährliche Illusion. Pristina glaubt, es kann einfach eigene Institutionen im Norden aufbauen, ohne Beteiligung Belgrads und der Menschen, die im Nordkosovo leben. Doch das würde nie akzeptiert werden. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma führt über den Dialog, in den alle eingebunden sind.