Die nächste Parlamentswahl in Polen findet nicht vor Anfang 2005 statt. Mit einer knappen Stimmenmehrheit bestätigte der Sejm, das Parlament, gestern Marek Belka als Ministerpräsidenten und verhinderte vorgezogene Wahlen im August. 236 Abgeordnete sprachen dem designierten Premier das Vertrauen aus, 215 stimmten gegen dessen Kabinett.
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Für Marek Belka war es die letzte Chance. Hätte das Parlament dem designierten Ministerpräsidenten nicht das Vertrauen ausgesprochen, wären vorgezogene Neuwahlen und möglicherweise ein starker Gewinn populistischer sowie nationalistischer Parteien die Folge. Doch die Zahl jener Abgeordneten, die dies verhindern wollten, überwog.
Wie schon vor mehr als einem Monat, als sich Belka erfolglos einem Vertrauensvotum stellte, ging der Abstimmung ein Bericht voraus. In seinem Exposé unterstrich der designierte Ministerpräsident die Bedeutung des EU-Verfassungsvertrags. Die Regierung hätte in der Vorwoche in Brüssel einen Verhandlungserfolg erzielt, meinte Belka und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Bevölkerung dies in einem möglichen Referendum bestätigt.
Ein wichtiger Schritt sei bei der Gesundheitsreform gesetzt worden. Die entsprechende Gesetzesvorlage ist dem Parlament übergeben worden. Zu den weiteren Kernpunkten des Regierungsprogramms gehöre die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit, die Sanierung des Staatshaushaltes oder die stufenweise Reduktion des Truppenkontingents im Irak.
Lob von der Sozialdemokratie Polens (SdPl) erhielt Belka für seine Ankündigung, seinen Kurs im Oktober, nach Vorlegung des Budgetplans für 2005, abermals vom Sejm bestätigen zu lassen. Bis dahin gebe es einen Vertrauensvorschuss, kündigte SdPl-Vorsitzender Marek Borowski an. Sicher waren Belka auch die 171 Stimmen der Regierungspartei SLD (Bündnis der Linksdemokraten) sowie der kleinen Koalitionspartnerin UP (Arbeitsunion). Der Föderale Parlamentsklub (FKP) und einige fraktionslose Abgeordnete hatten ebenfalls ihre Unterstützung zugesichert.
Die oppositionelle Bürgerplattform (PO), für die Umfragen zu Folge derzeit ein Viertel der Wahlberechtigten stimmen würde, sprach sich gegen das Kabinett Belkas aus. Sie kritisierte, dass die Regierung in Brüssel nachgegeben habe.
Die bei der EU-Wahl zweitstärkste Partei, die Liga der Polnischen Familien, appellierte ebenfalls, nicht für Belka zu stimmen. Jeder Monat mit dieser Regierung sei ein verlorener Monat.
Etwas Zeit bleibt Marek Belka nun doch. Einiges wird er dabei - auf Wunsch anderer Parteien - nicht umsetzen. Dazu gehört die Überprüfung von Rentenauszahlungen. Von deren Ergebnis hat sich die Regierung eine Einsparung von rund zwei Mrd. z³oty (etwa 400 Mio. Euro) erhofft.