Warum Sars-CoV-2 noch ein Glück und die Lage in Italien tatsächlich beunruhigend ist.
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Wenn man der Coronavirus-Epidemie, die faktisch längst zu einer Pandemie nach allem nur nicht dem Namen nach geworden ist, unbedingt etwas Positives abgewinnen will, dann ist das wohl der Umstand, dass dadurch die Notfallpläne von sämtlichen internationalen Organisationen, von Staaten, von Behörden und von Unternehmen einem schonungslosen Belastungstest in Echtzeit ausgesetzt sind.
Als Glück im Unglück erweist sich dabei, dass - nach derzeitigem Erkenntnisstand - die durchschnittliche Sterberate zwar höher als bei den jährlichen Grippewellen liegt, viele Bevölkerungsgruppen aber kaum gefährdet sind und die Folgen auch vom Umfang und von der Qualität der medizinischen Versorgung in den betroffenen Regionen abhängig sind. Man mag sich gar nicht vorstellen, was wäre, wenn eine Infektion mit weit höheren Sterberaten die jetzt zutagetretenden Überforderung, Planlosigkeit, Vertuschung und andere Mängel und Schlampereien mehr bloßgestellt hätte.
Österreich schneidet dabei- Stand Donnerstag, muss immer dazugesagt werden - verhältnismäßig gut ab, die Notfallpläne von Politik, Verwaltung und Gesundheitswesen haben bisher weitgehend reibungslos ineinandergegriffen, die Informationsketten funktionieren, die Öffentlichkeit ist für die Risiken und Gefahren sensibilisiert, bleibt aber trotzdem weitgehend entspannt.
Dass es trotzdem langsam Mühe bereitet, einen Zustand emotionaler Gelassenheit beizubehalten, hat mit der Kaskade an Nachrichten zu tun, die ringsum auf die Bürger einprasseln. Vor allem die Lage im benachbarten Italien sorgt für ein mehr als mulmiges Bauchgefühl: Diese Lieblingsdestination von Millionen Österreichern, dieser weltweite Sehnsuchtsort, fährt sein öffentliches Leben für zehn Tage auf das unvermeidliche Minimum herunter. Ein historisch einmaliger Schritt in den vergangenen Jahrzehnten.
Eine so radikale Entscheidung geht nicht spurlos an einer Volkswirtschaft und ihren Nachbarn vorbei. Die Großmacht in Sachen Lebenskultur ist das ökonomische Sorgenkind Nummer eins der Eurozone. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion würde im Fall der Fälle den Euro mit in den Abgrund ziehen - mit unabsehbaren weiteren politischen und wirtschaftlichen Folgen für ganz Europa. Die tatsächlich größte Bedrohung durch die Coronavirus-Epidemie ist - jedenfalls in Europa - deshalb nicht gesundheitlicher Natur, sondern besteht darin, dass eine ohnehin angeschlagene Volkswirtschaft weiter geschwächt wird.
Das ist das Corona-Szenario, das uns Europäern tatsächlich den Angstschweiß auf die Stirn treiben sollte.