Nur wenige Institutionen in den USA sind heute in besserem Zustand als die Armee. | Das sollen unsere Politiker und Führungskräfte der Wirtschaft erst einmal nachmachen.
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Die Kriege der USA im vergangenen Jahrzehnt waren hart und oft frustrierend. Der Feiertag am 4. Juli war eine gute Gelegenheit, einmal die bemerkenswerte Fähigkeit des US-Militärs zu würdigen, Adaptionen vorzunehmen und Schwierigkeiten zu überwinden. Ich hatte die Gelegenheit, die vergangene Woche bei den US-Soldaten in Afghanistan zu verbringen und meine Eindrücke von ihrer Widerstandskraft aufzufrischen.
Die Kriegskosten sind enorm, besonders an Menschenleben. Dennoch sind nur wenige Institutionen in den USA heute in einem besseren Zustand als die Armee. Das sollen unsere Politiker und Führungskräfte in der Wirtschaft erst einmal nachmachen.
In Afghanistan trifft man Soldaten, die schon auf ihrem dritten, vierten oder sogar sechsten Einsatz sind. Sie waren in den rauesten Gegenden, die man sich nur vorstellen kann, kämpften auf schonungslosem Terrain und oft in feindlich gesinnter Kultur. Aber die Soldaten, die das durchgemacht haben, haben daraus gelernt und sich angepasst - und sind an den Herausforderungen gewachsen.
Ich möchte Ihnen ein paar Eindrücke vermitteln, die mir von meinem Afghanistan-Aufenthalt im Gedächtnis geblieben sind. Zum Krieg selbst möchte ich damit aber nicht Stellung beziehen, nur einfach einmal die Truppen ins Licht rücken, die genau das tun, was die Führung ihres Landes von ihnen verlangt.
Stellen Sie sich ein Tal am Fluss Baghlan im Norden vor. Backofentemperaturen. In einem Holzschuppen sitzt ein Mitglied der US Special Forces. Ihn hat es in diese zerfurchte Landschaft verschlagen, um eine afghanische Polizeistation aufzubauen. Er ist schlank, sonnengebräunt - sieht Leonardo DiCaprio unheimlich ähnlich. Seinen Namen und seinen Rang darf ich nicht nennen, um ihn nicht in Gefahr zu bringen. So hart seine Aufgabe auch ist, wenn man ihn mit seinem afghanischen Partner von der Polizei zusammensitzen sieht, spürt man, dass er glücklich ist, trotz dieser extremen Form des Soldatenlebens.
Die Special Operations Forces (SOF) sind die effizienteste US-Einheit. Sie sind über ganz Afghanistan verteilt und übernehmen die härtesten Aufgaben. Manche von ihnen sind in Stämme integriert, andere nehmen an den nächtlichen Angriffen auf die Taliban teil.
Und nun zu den US-Soldaten nach Khost, ganz im Osten, tief in der Hochburg des Haqqani-Netzwerks, der tödlichen Taliban-Splittergruppe, die verantwortlich für den Bombenanschlag vorige Woche auf das Kabuler Hotel Intercontinental ist: Grausame Hitze, schlechtes Essen, die Sanitäranlagen bestehen oft aus nicht mehr als einem kleinen Loch im Boden. Ein US-Soldat erzählt, wie er und zwei seiner Kameraden zusammen mit der afghanischen Polizei am 22. Mai vier Selbstmordattentäter der Taliban erwischt haben. Eine Heldentat, erzählt ohne große Emotionen. Mehr verrät da schon der Blick, ein Blick gegenseitigen Respekts, wenn die Augen des Soldaten die des afghanischen Polizisten treffen, der mit ihm Seite an Seite gekämpft hat.
Aber nicht nur an die Soldaten wurde am 4. Juli verstärkt gedacht, sondern auch an ihre Familien. Auf meiner Reise traf ich mehrere Soldatinnen, die während ihrer oft jahrelangen Einsätze kleine Kinder zu Hause zurücklassen. Viele Mütter tun sich schon schwer, ihren Nachwuchs auch nur 24 Stunden zu verlassen. Aber was ist das schon gegen 12 Monate? Eine Betroffene erzählte mir, sie habe mit den Skype-Anrufen an ihre vier- und fünfjährigen Kinder aufgehört: Es habe ihr zu weh getan.
Übersetzung: Redaktion
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".