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Benedikt XVI. - kein "eiliger Vater"

Von Heiner Boberski

Europaarchiv

Heuer beehrt der Papst nur ein Land in Europa mit seinem Besuch: Österreich. | Wien. Während der Amtszeit von Johannes Paul II. erschien eine Karikatur, die den Pontifex zeigte, wie er vor der Silhouette des Petersdoms im Hintergrund zu einem Begleiter sagte: "Die Gegend kommt mir so bekannt vor. Waren wir hier schon einmal?" Worauf der Begleiter antwortete: "Ja, Heiliger Vater, aber sehr selten." Die Zeichnung brachte auf den Punkt, was dem polnischen Papst den Namen "eiliger Vater" eintrug: sein immenses Reiseprogramm.


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In den mehr als 26 Jahren seines Pontifikats, des zweitlängsten der Papstgeschichte, unternahm Papst Johannes Paul II. insgesamt 104 Auslandsreisen auf alle Kontinente, neun davon führten ihn in seine Heimat Polen, jeweils sieben nach Frankreich und in die USA, immerhin drei nach Österreich (1983, 1988 und 1998). Sieht man von Moskau und Peking ab, lag kaum eine wichtige Metropole der Erde abseits von seinen Reiserouten. Manche dieser Reisen machten Geschichte und veränderten die Welt, etwa seine Fahrten nach Polen, andere erregten zumindest großes Aufsehen, zum Beispiel 1998 sein Treffen mit Fidel Castro in Kuba oder im Jahr 2000 die Pilgerreise ins Heilige Land.

Benedikt XVI., der sein Amt im April 2005 erst im Alter von 78 Jahren antrat (Johannes Paul wurde im Oktober 1978 mit 58 Jahren Papst), wird schon aus diesem Grund an den Reiserekord seines Vorgängers nicht herankommen. Er hat aber offensichtlich auch erkannt, dass bei häufiger Abwesenheit des Papstes in Rom viel Arbeit liegenbleibt oder von einzelnen Kurienstellen zu sehr auf eigene Faust vorgegangen wird.

Kurie umgestaltet

Der Papst aus Deutschland hat sich in den vergangenen zwei Jahren besonders mit der Umgestaltung der Kurie befasst, wo nun seine Vertrauensleute - allen voran Tarcisio Bertone als Kardinal-Staatssekretär - den Ton angeben. Mit seiner Enzyklika "Deus caritas est" und dem Buch "Jesus von Nazareth" hat er theologische Marksteine gesetzt und sich auf wenige, dafür aber wesentliche und fast nicht vermeidbare Reisen beschränkt.

Dass er seine erste Auslandsreise im August 2005 zum Weltjugendtag nach Köln unternahm, war Benedikt XVI. wohl seiner Heimat und dem Andenken seines bei der Jugend besonders beliebten Vorgängers schuldig. Auch zu seiner Polenreise im Mai 2006 fühlte er sich wohl noch durch Johannes Paul II. verpflichtet, auf dessen Spuren er sich in Krakau und Umgebung bewegte. Hinzu kam die wichtige Aufgabe, als deutscher Papst das Vernichtungslager Auschwitz zu besuchen und die richtigen Worte zu den Verbrechen der NS-Zeit und zum Antisemitismus zu finden.

Zwei Tage kam der Papst im Juli 2006 zum Weltfamilientreffen im spanischen Valencia. Mehr Zeit, sechs Tage, nahm er sich im September für die Reise in seine bayerische Heimat. Dass danach unter den Muslimen die Wogen hochgingen, da Benedikt in einer Vorlesung in Regensburg harte mittelalterliche Islam-Kritik zitiert hatte, erhöhte deutlich die Spannung auf seine nächste Auslandsreise, die ihn vom 28. November bis zum 1. Dezember 2006 in die Türkei führte. Der heikle Besuch, der mehr Bartholomaios I., dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, als dem Staat Türkei galt, lief dann überraschend harmonisch ab.

Marianische Ziele beliebt

Dass Benedikt nicht nur diplomatisch, sondern auch polarisierend formulieren kann, bewies er wieder im Mai 2007 in Brasilien, als er die christliche Missionierung Lateinamerikas aus Sicht einiger Kritiker zu positiv darstellte und zu wenig an die damit verbundene Gewalt erinnerte.

Er kam damals - dem Beispiel Johannes Pauls II. von 1979 folgend - zur Vollversammlung der Bischöfe Lateinamerikas. Sie fand im Marienheiligtum Aparecida statt, und solche Wallfahrtsorte sind traditionell beliebte Reiseziele von Päpsten - ob Tschenstochau in Polen, Altötting in Bayern, Ephesus in Kleinasien oder nun Mariazell in Österreich.

Man weiß auch im Vatikan, dass Papstaussagen noch mehr internationale Beachtung finden, wenn sie außerhalb von Rom gemacht werden. Darum schaut die internationale Medienwelt jetzt besonders aufmerksam auf Österreich, in das heuer die einzige Auslandsreise des Papstes in Europa führt.

Für 2008 sind derzeit drei Papstreisen zu konkreten Anlässen geplant: nach Lourdes in Frankreich (zum 150. Jahrestag der Marienerscheinungen), zum Weltjugendtag in Sydney in Australien und - auf Einladung der Vereinten Nationen - nach New York.

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