Heimische Gründer reagieren mit Verhaltenskodex auf Sexismus-Skandale in Start-up-Szene.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Sie stehen für Innovation, Kreativität und neue Arbeitsplätze - Start-up-Unternehmen konnten sich über ihr hippes Image bisher kaum beklagen. Doch nun haben gleich mehrere Sexismus-Skandale dem Ansehen der internationalen Gründerszene schwer geschadet. Vor allem in den USA ist eine breite Debatte um die Behandlung von Frauen in der Start-up-Wirtschaft entflammt.
Auslöser war der Skandal um den Fahrdienstvermittler Uber. Nachdem eine Ex-Mitarbeiterin die dort herrschenden sexistischen Umgangsformen publik gemacht hatte, kamen im Zuge einer internen Ermittlung zahlreiche Missstände ans Tageslicht. Daraufhin mussten mehrere Mitarbeiter, darunter auch Uber-Chef Travis Kalanick, ihre Posten räumen. Auch gegen den Silicon-Valley-Investor Justin Caldbeck wurden Vorwürfe laut, mehrere Gründerinnen sexuell belästigt zu haben. Die Empörung war so groß, dass Caldbeck wenig später zurücktrat.
Verbindliche Benimm-Regeln
Vorfälle wie diese nimmt die heimische Gründer-Szene nun zum Anlass, ein Zeichen zu setzen. Mitte August wurde im Rahmen einer Veranstaltung der Dachorganisation der heimischen Gründer "AustrianStartups", ein sogenannter "Code of Conduct", sprich ein Verhaltenskodex, verabschiedet, der das zwischenmenschliche Verhalten innerhalb der Community regeln soll. "Die Idee gab es schon länger. Negative internationale Beispiele wie Uber und die Diskussion über eine potenzielle Bro Culture in Österreich waren Auslöser, dass dieser Prozess nochmals beschleunigt wurde", sagt Markus Raunig, Chef von "AustrianStartups" zur "Wiener Zeitung". "In einem stark wachsenden Ökosystem mit immer mehr Stakeholdern macht es Sinn, dass man gemeinsam ein paar Grundregeln für die Zusammenarbeit definiert." Faktum ist: Sexismus in der Gründerszene ist keine US-amerikanische Spezialität. So sind Frauen in deutschen Start-ups häufiger sexuellen Belästigungen ausgesetzt als ihre Kolleginnen in anderen Branchen. Das belegt eine Studie des Marktforschungsinstituts Innofact. Von 200 befragten Start-up-Mitarbeiterinnen gaben 54 Prozent an, in den vergangenen zwölf Monaten Ziel anzüglicher Kommentare und Bemerkungen gewesen zu sein. Ein Drittel der Frauen wurde unerwünscht berührt und umarmt, 27 Prozent erhielten von ihren männlichen Kollegen E-Mails mit sexistischen Inhalten.
Null Toleranz
Und wie ist die Situation in Österreich? "Die Start-up-Szene wirkt für außenstehende Frauen ziemlich abschreckend", sagte Lisa-Marie Fassl von der Initiative Female Founders dem News-Portal Trending Topics. "Diese Männersprache mit Altherren-Witzen und Schulterklopfen - für viele Founder und Investoren ist nicht klar, welche Aussagen in Ordnung sind und welche schon eine Anzüglichkeit bedeuten. Ich denke, da passiert viel unterbewusst." Wenn Frauen ins Team kommen, berichtet Fassl, ändere sich "Dynamik und Gesprächskultur oft ins Negative". "Persönlich war ich noch mit keinem derartigen Fall in Österreich konfrontiert", sagt Raunig. "Besonders angesichts des starken Wachstums der Szene ist es aber auf jeden Fall sinnvoll, dass man proaktiv ein Zeichen setzt und klarstellt, dass unethisches Verhalten nicht toleriert wird. Wir sehen den Code of Conduct also auch als Präventivmaßnahme, um solche Fälle erst gar nicht entstehen zu lassen." "AustrianStartups" will zugleich aufzeigen, wie wichtig es angesichts der ständigen Personalsuche seitens der Start-ups ist, als Community zusammenzuarbeiten, "sodass sich Neuankömmlinge in der Start-up-Szene von Anfang an wohlfühlen." Als Vorlage für die österreichischen Verhaltensregeln wurde der renommierte Berliner Code of Conduct herangezogen. Demnach soll künftig diskriminierendes, belästigendes und herabwürdigendes Verhalten konkret geahndet werden. Unter anderem besteht nun die Möglichkeit, Menschen bei unangemessenem Verhalten zeitlich oder unbeschränkt aus der Community zu verbannen.
"Mittlerweile haben sich rund 30 weitere Organisationen aus dem Ökosystem zum Code bekannt", so Raunig. Darunter sind Interessenvertretungen und Key-Player der österreichischen Start-up-Szene wie AVL, Conda, Female Founders, AAIA, Ideentriebwerk Graz, Pioneers, startup300 und TheVentury.
Männer unter sich
Als eine Wurzel des Übels wird häufig die sogenannte Bro Culture, vor allem in der Tech-Branche, genannt. "Wenn ein Start-up (fast) nur Männer im Team hat, dann entwickelt sich schnell mal eine ähnliche Kultur, wie man sie aus Fußballvereinen oder anderen Bereichen kennt, wo Männer oft unter sich sind", bestätigt Raunig. "Die Tech-Branche ist momentan noch sehr männlich dominiert. Das wird durch die bestehenden Rollenbilder in der Gesellschaft schon früh gefördert, wie man an den relevanten Studienzweigen an den Universitäten sehen kann." Gleichzeitig gäbe es aber auch viele gute Beispiele dafür, dass gerade Diversität den Start-ups zum Erfolg verhelfe. Raunig: "Ich bin überzeugt, dass diese Erfolgsbeispiele dabei helfen werden, auch mehr junge Frauen fürs Gründen zu begeistern."
Nähere Infos zum Code of Conduct findet man unter: www.austrianstartups.com