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Benita und Wolfgang haben jetzt geliefert

Von Heike Hausensteiner, Brüssel

Europaarchiv

Österreich hat sich beim EU-Gipfel im Schloss Laeken durchgesetzt, sowohl was die Übergangsregelung in der Transitfrage als auch was die Sicherheitsstandards der Atomkraftwerke betrifft. Auf Drängen von Österreich fordert der EU-Rat in den Schlussfolgerungen die EU-Kommission auf, zum auslaufenden Ökopunkte-System eine Übergangsregelung für Österreich vorzuschlagen. Die von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel angesprochenen AKW-Sicherheitsstandards in Europa sind bei manchen EU-Partner zwar auf wenig Gegenliebe gestoßen und haben für heftige Diskussionen gesorgt. Dennoch wird in den Schlussfolgerungen festgehalten, dass die Reaktorsicherheit in Europa künftig regelmäßig beobachtet werden soll. Enttäuscht musste die belgische Ratspräsidentschaft jedoch zur Kenntnis nehmen, dass die EU-15 über die begehrten Sitze der verschiedenen europäischen Agenturen keinen Kompromiss erzielten. Nach einigen Stunden der Ungewissheit hat Ratspräsident Guy Verhofstadt den Gipfel abgebrochen. Die Entscheidung wird an den spanischen EU-Vorsitz weitergereicht.


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Das Match mit der Europäischen Kommission hat Österreich in der Transitfrage vorerst für sich entschieden. "Die Kommission hat gefordert, Benita und Wolfgang haben geliefert", zog Kanzler Schüssel in der Abschlusspressekonferenz in Brüssel eine positive Bilanz.

Der Transitvertrag Österreichs mit der EU, in dem die Vergabe der "Ökopunkte" für Lkw-Transitfahrten durch Österreich geregelt ist, läuft Ende 2003 aus. Eine neue Wegekostenrichtlinie für den gesamten EU-Raum soll aber erst 2004 in Kraft treten. Österreich will die so entstehende Lücke in der Transit-Regelung verhindern und hat Überbrückungsmaßnahmen gefordert. Die Kommission, die in der EU das Initiativrecht hat, solle einen Vorschlag machen. Die Kommission ihrerseits argumentierte, sie brauche dazu einen Beschluss des EU-Rats (der Staats- und Regierungschefs). Dieser ist nun in den Schlussfolgerungen von Laeken festgehalten.

Transit und Erweiterung

Die für Österreich so wichtige Transitregelung im Zusammenhang mit der Erweiterung der Union sei nun von den EU-Mitgliedstaaten verstanden worden, gab sich Kanzler Schüssel zufrieden. Österreich habe die Zustimmung der Mitgliedstaaten zur Verlängerung des Transitabkommens erreicht, "das war bisher nicht der Fall". Die geforderte Zwischenlösung, nach dem Auslaufen der Ökopunkte-Regelung und bis eine EU-weite Wegekostenrichtlinie in Kraft tritt, müsse für ganz Österreich gelten. Lediglich "sensible Zonen" (etwa die Alpen) zu definieren ist Schüssel zu wenig. Die Übergangslösung müsse zudem für eine ausreichende Periode gelten. Dann werde Österreich bereit sein, das Verkehrskapitel in den Verhandlungen mit den EU-Beitrittswerbern abzuschließen.

In der Vergangenheit hatte Verkehrsministerin Monika Forstinger mehrfach mit einem österreichischen Veto gegen das Verkehrskapitel gedroht, sollte EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio keinen entsprechenden Vorschlag zur Transitproblematik präsentieren. Schüssel sieht jedoch keinen unmittelbaren Zusammenhang: Die EU-Kommission sei nun aufgerufen eine Transitlösung zu präsentieren; wann das Verkehrskapitel in den Beitrittsverhandlungen geöffnet werde, sei "Sache der EU-Präsidentschaft".

Wie die Transitlösung aussieht und wann sie vorgelegt wird, bleibt freilich abzuwarten. Verkehrskommissarin De Palacio ist die bisherige österreichische Transitregelung ein Dorn im Auge, da sie den Regeln des freien Wettbewerbs in der EU widerspreche. Zudem hat Österreich die mächtige Frächter-Lobby vor allem Deutschlands, Italiens und der Niederlande gegen sich.

Auf Widerstand bei Frankreich, Großbritannien und Schweden in erster Linie ist in Laeken auch das österreichische Ansinnen für europäische Sicherheitsstandards von Atomkraftwerken gestoßen. Denn diese Fragen der Energiepolitik seien nicht Teil des Gemeinschaftsrechts, argumentierten sie. Schüssel berichtete von einer "sehr heftigen Diskussion". Unterstützung für AKW-Sicherheitsstandards habe Irland signalisiert, hieß es; die grüne Inselrepublik liegt mit Großbritannien im Streit wegen der Atomanlage Sellafield in Nordwestengland. Umso mehr begrüßte der Bundeskanzler den erzielten Passus in den Schlussfolgerungen von Laeken, und das "im Schatten des Atomiums". Das Wahrzeichen ist in Brüssel 1958 zur Weltausstellung eröffnet worden und befindet sich zwischen dem riesigen Ausstellungsareal, dem berühmt berüchtigten Heysel-Stadion und der überdimensional großen Parkanlage um Schloss Laeken.

Entscheidung über die Agenturensitze vertagt

Sichtlich enttäuscht war Belgiens EU-Ratspräsident Verhofstadt, dass die EU-Partner in der Aufteilung der Agentursitze auf keinen grünen Zweig kamen. Von den verschiedenen Sicherheitsbehörden (u.a. zur Luft- und Seefahrt) dürfte die Lebensmittelagentur am umstrittensten und deren Standort am begehrtesten sein. Italiens Premier Silvio Berlusconi wehrte sich vehement gegen den Standort Helsinki und wollte die Behörde nach Parma holen. Andere Länder, die leer ausgegangen wären, fühlten sich nicht ausreichend vertreten. Also wurden zusätzliche Behörden (14 an der Zahl) geschaffen, die nur am Papier existierten. Die Agenturensitze können aber nur im Paket beschlossen werden. Schließlich beendete Verhofstadt das Feilschen und den Gipfel und reicht somit die heißte Kartoffel an die nachfolgende EU-Präsidentschaft Spaniens weiter. Beim informellen EU-Rat Mitte März in Barcelona soll nun eine Entscheidung fallen. Schüssel sah die Vertagung weniger tragisch: "So ist eben Europa, da wird gerungen..."