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Benotet wird aus der hohlen Hand

Von Engelbert Washietl

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Das Publikum steht bei der Diskussionssendung "Im Zentrum" zwar nicht im Mittelpunkt, aber es verteilt klatschend Zensuren. Nach welchen Kriterien?


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Applaudieren ist seit 23. Jänner bei der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" erlaubt. Sie ist ja kein Weihespiel von Richard Wagner, sondern doch eher, wenn schon Vergleiche bemüht werden, so etwas wie eine "Millionenshow". Auch quotenmäßig, wie der Auftritt des Ex-Finanzministers Karl-Heinz Grasser lehrte.

Solange aus dem Haas-Haus gesendet wurde, war kein Publikum dabei, wenigstens nicht in physischer Form. Am Küniglberg sitzt es jetzt im dunklen Hintergrund auf Würfelhockern und mischt sich pauschal und dennoch differenziert ein. Es klatscht oder klatsch nicht. Es passt oder passt nicht. Die Sendung über den "Sturz des Pharao" gestaltete sich am vergangenen Sonntag für die Diskutanten zu einem delikaten Testfall ihrer Außenwirkung.

Während 59 Minuten wurde Publikumsgunst in Portionen verteilt, aber wem wurde sie zuteil? Den Personen oder dem Inhalt ihrer Ansagen? Das über Österreichs Wohnzimmer verstreute Brutto-Fernsehpublikum von 416.000 Personen laut Teletest musste genau achtgeben und mitdenken, denn die aus der Handfläche ausgeschickte Schallwelle führt keine Widmung mit.

Klatschordnung ist aber auch Hackordnung. Der nach Wien eingeflogene Arabien-Korrespondent Karim El Gawhary hatte durch seine Berichterstattung in Tagen und Nächten der tunesischen und ägyptischen Revolution gewaltige Sympathien aufgebaut und erwies sich im Studio als Selbstläufer. Applaus, noch ehe er den Mund öffnete, und danach erst recht. Er ist ein talentierter Erzähler, der die arabische Welt anhand eines Pflastersteins am Tahrir-Platz erklären kann. Auch der beredte Arabienexperte Bassam Tibi wurde positiv aufgenommen.

Wer erklärt aber die nahezu peinliche Reaktionsverweigerung, mit der die beiden österreichischen Politiker Ursula Plassnik und Hannes Swoboda behandelt wurden? Für sie rührte sich zunächst keine Hand. Eisige Stille, als sie sich zu Wort meldeten. Die Ex-Außenministerin schaffte es erst beim dritten Anlauf, Zustimmung zu provozieren. Da war sie beim Thema Israel und bei der Feststellung angekommen, dass die Israelis aus Gründen ihrer eigenen Sicherheit endlich den Siedlungsbau stoppen und sich am Friedensprozess beteiligen sollte. Konträr zu ihrem Temperament raffte sie sich auf und zeige beinahe so etwas wie Emotion. Dem Publikum gefiel das auf der Stelle und es verstand auch, was sie sagte - jedenfalls besser als wenn sie in abgehobener Diplomatensprache über "pluralistische Prozesse" redete. Was sie sagte, kam an.

Auch Swoboda musste sich erst aufbauen, denn zunächst steuerten die Leute im Hintergrund ihre Beifallsbereitschaft demonstrativ an ihm vorbei und ließen sie für El Gawhary und das arabische Volk los. Erst mit dem zweiten Einsatz rührte Swoboda die richtige Saite: Kein Staat im nahöstlichen Raum habe das Monopol, Demokratie zu sein, alle müssten Demokratie werden und Europa müsse aktiv mithelfen. Lauter Beifall. Man sieht: Erst wenn Politiker etwas leisten, wird ihnen die Huld des Volkes zuteil.

Eigentlich keine üble Einstellung. Aber ehrlich: Daheim auf der TV-Couch muss das Brutto-"Im Zentrum"-Publikum auf mindestens zwei Ebenen mitdenken. Bei der "Pressestunde" fällt die Konzentration auf das Wesentliche leichter. Niemand kann klatschen, und es gilt das gesprochene Wort.

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse und Salzburger Nachrichten.