Rodotà in Blog als "vom Internet wundergeheilter 80-Jähriger" verspottet.
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Rom. Nach dem Absturz seiner 5-Sterne-Bewegung (M5S) bei den Kommunalwahlen am vergangenen Wochenende steigt bei Beppe Grillo die Nervosität. Kritiker werden ausnahmslos heftig attackiert. Nach der Journalistin Milena Gabanelli, der Siegerin der M5S-internen Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur, die dann doch auf ein Antreten verzichtet und mit Fragen nach der Finanzierung seines Blogs Grillos Zorn erregt hat, war jetzt Stefano Rodotà, der M5S-Präsidentschaftskandidat, dran. Rodotà hatte in einem Interview mit dem "Corriere della Sera" die jüngsten Wahlniederlagen der Grillo-Bewegung darauf zurückgeführt, dass Grillo mit der Ansicht, dass das Internet genüge, um zu gewinnen, einen Fehler begangen habe. "In der Realität auf lokaler Ebene funktioniert das Internet nicht so wie auf nationalem Gebiet", sagte Rodotà, der auch darauf hinwies, dass bei den jüngsten Wahlen die beiden großen Kommunikatoren verloren haben: Grillo und Berlusconi.
Kritik an Grillo auch aus den eigenen Reihen
Grillos Antwort ließ nicht lange auf sich warten. In seinem Blog verspottete er Rodotà als einen "vom Internet wundergeheilten 80-Jährigen, aus dem Mausoleum aufgetaut, in das ihn die Seinen verbannt haben, und dem wir wünschen, dass er die Linke wiedergründet". Rodotà weigerte sich am Freitag, zu den Angriffen Stellung zu nehmen: "Das ist nicht mein Stil." Er konnte sich aber über die Solidaritätsadressen aus fast allen politischen Lagern, auch aus dem der M5S, freuen. Der Parteichef der linksökologischen SEL, Nichi Vendola, forderte mehr Respekt für Persönlichkeiten wie Rodotà, die eine saubere und schöne Geschichte haben. Der PD-Abgeordnete Pippo Civati sieht hinter der Attacke auf Rodotà eine faschistoide Kultur.
"Wer wie Rodotà oder Gabanelli kritische Bemerkungen macht, darf dafür nicht zum Ziel verbaler Gewalt werden, nur weil er mit der Linie Grillos nicht übereinstimmt", betonte etwa der M5S-Abgeordnete Adriano Zaccagnini.
Zaccagnini zählt zu einer Gruppe von M5S-Abgeordneten, die laut "Corriere delle Sera" eine eigene Parlamentsfraktion gründen wollen, weil sie das Fehlen einer parteiinternen Demokratie beklagen und der Meinung sind, dass man nicht nur protestieren dürfe, sondern auch Vorschläge machen müsse.
Die M5S-Abgeordneten haben unterdessen im Abgeordnetenhaus einen neuen Fraktionschef. Riccardo Nuti, der im Vorjahr als Kandidat für das Bürgermeisteramt in Palermo angetreten war, löst Roberta Lombardi ab, die zuletzt in den eigenen Reihen zunehmend auf Kritik gestoßen ist.
Innerhalb der M5S-Fraktion sorgt auch für Unruhe, dass Grillo zehn bis zwölf Abgeordnete ausgewählt hat, die künftig in TV-Talkshows auftreten dürfen - was bisher für alle tabu war.
Aber nicht nur Grillos Bewegung hat mit parteiinternen Problemen zu kämpfen. Auch in der Demokratischen Partei (PD) sorgt der Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, mit seinen Ratschlägen an Regierungschef Enrico Letta für Unbehagen. Ex-PD-Chef Pier Luigi Bersani warf Renzi vor, nicht zwischen Leadership und "Mann allein am Kommando" unterscheiden zu können und forderte ihn zu echter Diskussion auf. Der amtierende PD-Chef Giuglielmo Epifani kündigte unterdessen an, dass er sich im Herbst nicht für eine weitere Amtszeit bewerben werde.