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Beppe Grillos Sterne verblassen

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Enttäuschung auch in der Berlusconi-Partei und bei Lega Nord.


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Rom. "Die Bürgerbewegung Beppe Grillos verliert so manchen Stern", fasste die römische Tageszeitung "la Repubblica" am Dienstag kurz und prägnant den Absturz der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) bei den jüngsten Kommunalwahlen zusammen. Mit rund 25 Prozent der Stimmen war Beppe Grillos Partei bei den Parlamentswahlen Ende Februar nur knapp hinter der Demokratischen Partei (PD) zur zweitstärksten Einzelpartei im Abgeordnetenhaus geworden und lag vier Prozentpunkte vor Silvio Berlusconis "Popolo della Liberta" (PdL - Volk der Freiheit).

Von diesen Zahlen kann man in den Reihen der M5S heute nur noch träumen. Schon bei den Regionalwahlen in Friaul-Julisch Venetien im April, wo sich Beppe Grillo im Wahlkampf besonders eingesetzt hatte, gab es den ersten Dämpfer: nur mehr 13,75 Prozent statt der 27, die man noch im Februar erreicht hatte. Da wiegelte man im Grillo-Lager noch ab. Regionalwahlen seinen mit Parlamentswahlen nicht zu vergleichen. Bei den Regionalwahlen im Aostatal, der kleinsten der 20 italienischen Regionen, setzte sich Sonntag der negative Trend für die Grillini fort. Nur mehr 6,6 Prozent stimmten dort für die M5S - gegenüber 18,5 im Februar.

Debakel für M5S-Kandidat Marcello De Vito in Rom

Als am Montagabend die Ergebnisse der Kommunalwahlen eintrudelten, verblassten die Sterne Grillos zunehmend. In Rom, wo Grillo am Freitag bei der Abschlusskundgebung nur mehr die halbe Piazza del Popolo füllen konnte, erreichte sein Bürgermeisterkandidat Marcello De Vito matte 12,4 Prozent - nicht einmal die Hälfte der 27 Prozent, die noch im Februar auf die M5S entfallen waren. Und je mehr Resultate eintrafen, umso klarer wurde, dass Federico Pizzarotti, der im Vorjahr in der Stichwahl zum Bürgermeister von Parma gewählt wurde, noch lange das einzige Stadtoberhaupt der Grillini in einer Provinzhauptstadt bleiben wird. Nirgendwo kam ein M5S-Kandidat in den größeren Städten die Stichwahl.

Beppe Grillos Strategieging nicht auf

Die deutlich verringerte Wahlbeteiligung hat auch Grillos Partei betroffen, vielleicht sogar mehr als die anderen, war es der M5S doch gelungen, bei den Parlamentswahlen viele ehemalige Nichtwähler zum Urnengang zu motivieren. Die strikte Weigerung Grillos, eine Regierung des Wechsels unter PD-Führung zu unterstützen, hat offensichtlich viele Wähler vom Februar verärgert. Grillos Strategie, PD und PdL zu einer breiten Koalition mit dem Zentrum rund um Ex-Premier Mario Monti zu zwingen und damit das eigene Wählerpotenzial zu vergrößern, ist nicht aufgegangen.

Quer durch das ganze Land muss die 5-Sterne-Bewegung schwere Einbußen hinnehmen: In Ancona rutschte M5S von 30 Prozent auf die Hälfte ab, in Viterbo von 31 auf 7 Prozent, in Pisa von 21 auf 10 Prozent, im Massa von 30 auf 11 und in Treviso von 26 auf 6 Prozent.

Da verging so manchem Politiker der M5S die Lust auf Kommentare. Vito Crimi, M5S-Fraktionschef im Senat, etwa meinte: "Die Ergebnisse der Kommunalwahlen? Ich habe sie nicht verfolgt und kommentiere sie nicht, weil ich nicht über Dinge spreche, die ich nicht weiß."

Die Parteibasis entlud unterdessen ihren Zorn im Internet. Ziel waren sowohl die M5S-Abgeordneten und Senatoren als auch Beppe Grillo selbst und sein Alter Ego Gianroberto Casaleggio. Grillo gab am Diendstag in seinem Blog Fehler zu: "Ich verstehe euch. M5S hat Fehler gemacht, wer weiß wie viele, aber wir waren die Einzigen in der Geschichte der Republik, die 42 Millionen Euro an den Staat zurückgegeben haben, indem wir die Gehälter der Parlamentarier beschnitten haben." Und dann folgte gleich Kritik an den Wählern der Regierungsparteien PD und PdL, die diesen Parteien ihre Stimmen geben haben, die in Wirklichkeit das Land zerstört und auf einen Weg ohne Rückkehr geführt hätten.

Der Sprecher der M5S, Massimo Marinelli, sieht in der hohen Stimmenthaltung einmal mehr die Kluft zwischen den Bürgern und dem System der etablierten Parteien, ohne aber erklärten zu können, warum dann seine Bewegung besonders schlecht abgeschnitten hat.

Enttäuschung auchim Lager Berlusconis

Aber nicht nur bei der Fünf-Sterne-Bewegung gab es am Montagabend lange Gesichter. Auch im Berlusconi-Lager, das seit Wochen mit hervorragenden Umfrageergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen ist, musste man zur Kenntnis nehmen, dass Umfrageergebnisse und Wahlresultate zweierlei Paar Schuhe sind. Deutliche Schlappen in Vicenza, Sondrio, Siena und Ancona musste das Mitte-Rechts-Lager ebenso einstecken wie Rückschläge in traditionellen Hochburgen wie Imperia. Brescia, Viterbo und Treviso, wo überall die Mitte-LinksKandidaten als Stärkste aus dem ersten Wahlgang hervorgingen. In Treviso etwa, einer Hochburg der Lega Nord, liegt Bürgermeister Giancarlo Gentilini, der sich gern selbst als Sheriff Italiens bezeichnet, mit nur 34,8 Prozent fast 8 Prozentpunkte hinter seinem Herausforderer Giovanni Manildo.

Gestärkt ging aus den Wahlen vor allem die Demokratische Partei von Premierminister Enrico Letta hervor. Neben dem guten Abschneiden des römischen Spitzenkandidaten Ignazio Marino kann sich die PD darüber freuen, dass ihre Kandidaten bereits im ersten Wahlgang in den Provinzhauptstädten Vicenza, Sondrio, Isernia, Pisa und Massa zu Bürgermeistern gewählt wurden. In allen anderen Provinzhauptstädten haben die PD-Kandidaten die Stichwahlen erreicht.

Die aufgrund der günstigen Umfragedaten entstandenen Wünsche nach baldigen Neuwahlen dürften im Mitte-Rechts-Lager damit vorerst zurückgestellt werden.