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Bercow macht May Strich durch die Rechnung

Von Siobhán Geets

Politik

Britischer Parlamentspräsident schließt eine weitere Abstimmung über denselben Brexit-Deal aus. Brüssel rechnet mit Verschiebung.


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London/Brüssel. Das nächste Mal hätte es endlich klappen sollen. Die britische Premierministerin Theresa May wollte dem Unterhaus ihr Austrittsabkommen mit der EU ein drittes Mal vorlegen - vorausgesetzt, es hätte Aussicht auf Erfolg. Zwei Mal war die Tory-Chefin damit bereits gescheitert. Doch nun hat Parlamentspräsident John Bercow der Premierministerin einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Regierung könne dem Unterhaus nicht noch einmal "denselben Vorschlag" vorlegen, sagte er am Montag in Westminster. Bercow bezog sich auf eine Regelung aus dem Jahr 1604, wonach innerhalb von einer Legislaturperiode nicht öfter als ein Mal über die gleiche Sache abgestimmt werden darf. Die Pläne der Premierministerin schienen damit vorerst dahin.

Zuvor hatte sie damit gedroht, in Brüssel um eine Verschiebung des Austrittsdatums über den Juni hinaus anzusuchen, falls sich kein Erfolg für ihren Brexit-Deal herauskristallisiere. May hatte damit argumentiert, dass es dann auch zu einem Verbleib in der EU kommen könnte - die Horrorversion der Hardliner. Ihnen wäre ein ungeordneter harter Brexit am liebsten.

Geplant war eigentlich, dass das Vereinigte Königreich die EU in zehn Tagen verlässt. Doch ein geregelter Brexit am 29. März wird immer unwahrscheinlicher, Brüssel rechnet schon länger damit, dass London um eine Verschiebung ansucht. Für die Zustimmung der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten müsste May allerdings klarmachen, wozu sie die Zeit nutzen will.

Bis zum 1. Juli muss Großbritannien die EU verlassen - oder an den Europawahlen teilnehmen. Täte es das nicht, dann wäre das Europaparlament nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt. "Jeder Rechtsakt der EU wäre damit angreifbar", heißt es im "Room Document", einem Papier des Rates der Staats- und Regierungschefs, über das zuerst die "Financial Times" berichtete.

Dass Großbritannien sich an der Wahl beteiligt, ist eine absurde Vorstellung. Wer würde überhaupt aufgestellt? Und wie fiele angesichts der Umstände die Wahlbeteiligung aus? Bis der Brexit tatsächlich vollzogen ist, hat London zudem alle Rechte und Pflichten eines EU-Landes. In Brüssel wird befürchtet, dass die britische Regierung wichtige Entscheidungen in der EU blockieren könnte, um sich Vorteile im Brexit-Streit zu verschaffen.

Mit seiner überraschenden Ankündigung hat Parlamentssprecher Bercow Premierministerin May nun noch weiter ins Eck gedrängt. Die nordirische DUP sowie einige Rebellen innerhalb der Tories hatten zuletzt signalisiert, eventuell doch noch für Mays Deal zu stimmen. Nun sind die Hoffnungen der Premierministerin wieder dahin. Es scheint, als bliebe May nichts übrig, als in Brüssel um eine Verschiebung des Austrittsdatums anzusuchen.

Doch viel Zeit bleibt auch bei einer Verschiebung nicht. May könnte kaum ein neues Austrittsabkommen verhandeln. Auch für ein zweites Referendum oder Neuwahlen bräuchte es mehr Zeit. Den Briten diese Zeit zu geben und sie an den Europawahlen teilhaben zu lassen, das stößt in der EU auf großen Widerstand. Von den EU-Politikern hat sich bisher nur Ratspräsident Donald Tusk dafür ausgesprochen, London auch diese Option zu bieten. Auch Deutschland steht einem längeren Aufschub offen gegenüber. Die größte Wirtschaftsmacht der EU würde besonders unter einem ungeordneten Brexit leiden.

Ein No-Deal-Austritt würde die 45 Jahre alten Beziehungen zwischen London und Brüssel mit einem Schlag beenden, das Vereinigte Königreich würde über Nacht zum Drittstaat. Das zu vermeiden ist auch im Sinne der EU. Brexit-Hardliner wie der ehemalige Tory-Außenminister Boris Johnson spekulieren deshalb darauf, dass Brüssel London in letzter Minute Zugeständnisse machen wird. "Es gibt diese Woche einen EU-Gipfel. Es ist noch nicht zu spät, um eine echte Änderung beim Backstop zu erreichen", schreibt er im "Daily Telegraph". Johnson drängt May schon lange dazu, den Backstop noch einmal nachzuverhandeln, doch Brüssel lehnt das ab. "Es gibt nur diesen Deal", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vergangene Woche in Straßburg, "oder gar keinen Deal".