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Berechtigte Angst vor China

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Der Zusammenschluss der Bahnsparten von Siemens und Alstom unterliegt weniger der Logik des europäischen Marktes als vielmehr jener des globalen Wettbewerbs. Ein mächtiger chinesischer Bahnkonzern schickt sich an, auf den lukrativen europäischen Markt zu expandieren. Der neue große Bahnkonzern "made in Europe" soll dagegenhalten.

Das ist nur das aktuellste Beispiel einer sich ändernden wirtschaftspolitischen Ausrichtung in Europa. Mehr Gemeinsamkeit, um gegen Asien bestehen zu können - das forderte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner bemerkenswerten Rede am Dienstag.

So mag die De-facto-Übernahme der Air Berlin durch die Lufthansa wie ein abgekartetes Spiel aussehen, doch auch für die Air Berlin soll es chinesisches Interesse gegeben haben, Insider nennen etwa Hainan Airlines.

Im Frühjahr kaufte sich das chinesische Konglomerat HNA (über die Wiener Investmentgesellschaft C-Quadrat) mit 3,4 Milliarden Euro bei der Deutschen Bank ein. Und der Konzern China Energy erwirbt gerade um umgerechnet 7,7 Milliarden Euro ein 15-prozentiges Aktienpaket am größten russischen Ölkonzern Rosneft.

Investmentbanker berichten, dass es mittlerweile bei den meisten Firmenverkäufen in Europa auch Interessenten aus China gebe.

Wenn das bevölkerungsreichste Land der Welt nicht nur beginnt, in den vergangenen Jahren aufgebautes Industrie-Know-how zu exportieren, sondern auch ungeheure Finanzmitteln weltweit investiert, müssen bei europäischen Politikern die Alarmglocken schrillen.

Denn China unterstützt seine Konzerne großzügig, nicht nur die staatlichen. Dort sind Oligarchen entstanden, die mit ihrer Nähe zur Politik, sprich: zur kommunistischen Partei, glänzende Geschäfte machen. Dass dieselbe Politik den chinesischen Markt für europäische Unternehmen und Investoren unverhohlen abschottet, lässt die Balance endgültig kippen.

China den Status einer Marktwirtschaft zuzuerkennen und sich dadurch der Sanktionen der Welthandelsorganisation zu berauben, wäre denn auch ein fataler Fehler Europas. Denn die Wirtschaftspolitik mag nun europäische Fusionen bevorzugen, um einen Ausverkauf zu verhindern. Doch daneben ist es auch nicht hinzunehmen, dass zwischen China und Europa kein fairer Wettbewerb herrscht.