Donald Trump führt die USA auf Konfrontationskurs mit der aufstrebenden Supermacht China.
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Washington/Peking/Taipeh. Nichts bestimmt das politische Geschick des Planeten Erde mehr als die Beziehungen zwischen den USA, der dominierenden Weltmacht des 20. Jahrhunderts, und der kommenden Weltmacht des 21. Jahrhunderts - China. Das Verhältnis zwischen diesen Supermächten ist soeben deutlich komplizierter geworden.
Der Grund: Der designierte US-Präsident Donald Trump hat mit einem am Sonntag ausgestrahlten Interview des US-Fernsehsenders Fox News gedroht, mit der bisherigen Ein-China-Politik der Vereinigten Staaten zu brechen, wenn Peking Washington bei seiner Handels-, Währungs- und Außenpolitik nicht entgegenkommt. Warum sollten die Vereinigten Staaten "an eine Ein-China-Politik gebunden sein", wenn die USA nicht gleichzeitig Vereinbarungen mit China über andere Dinge treffen könne, unter anderem in Handelsfragen, fragte Trump.
Die chinesische Führung reagierte geschockt auf Trumps Aussagen. Das Infragestellen der Ein-China-Politik, so Außenamtssprecher Geng Shuang am Montag, bedeute das Ende des "gesunden und stetigen Wachstums" der beiderseitigen Beziehungen sowie der Zusammenarbeit in wichtigen Bereichen. Die Taiwan-Frage berühre Chinas "Souveränität und territoriale Integrität", berühre "grundlegende Interessen" der Volksrepublik und sei der "Sockel" für die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und den USA.
Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind wechselvoll: Während die USA das Regime von Chiang Kai-shek im Kampf gegen die japanischen Invasoren unterstützt haben, waren die amerikanischen Beziehungen zu Maos Volksrepublik denkbar schlecht. Im Koreakrieg von 1950-1953 und im bis 1975 dauernden Vietnamkrieg standen sich beide Seiten in Stellvertreterkriegen feindselig gegenüber, der Besuch von Präsident Richard Nixon im Jahr 1972 war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Frieden in Indochina, doch es war Jimmy Carter, der 1979 die Basis für die Beziehungen, wie sie sich bis heute darstellen, legte. Carter war der erste US-Präsident, der die Ein-China-Politik Pekings offiziell anerkannte, nach deren Leseart die Insel Taiwan - obwohl dort eine von Peking unabhängige Regierung an der Macht war und ist - als chinesische Provinz zu betrachten ist.
Mit diesem Arrangement konnten seither alle Seiten ganz gut Leben: China erfreute sich seither reger Investmentströme aus Taiwan, Taiwan kann sich über chinesische Touristen freuen, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Festland und der Insel sind ausgezeichnet. Und auch Washington konnte mit dem Status quo bisher gut leben: Taipeh kaufte amerikanische Waffen, die USA sind ein wichtiger militärischer Verbündeter und unterstützen Taiwan diplomatisch bis zu jenem Punkt, an dem die Schmerzgrenze Pekings beginnt. Und diese Schmerzgrenze ist eben die Anerkennung der offiziellen Ein-China-Politik.
"Regelrechter Sturm"
Die chinesische Zeitung "Global Times", die in ihren Leitartikeln stets eine harte Linie fährt, schrieb, dass Trump so wenig über Diplomatie wisse "wie ein Kind". In der Zeitung wurde dem designierten US-Präsidenten Trump offen gedroht: Wenn er in der Taiwan-Frage "offen" einen Politikwechsel einleite, müsse er sich auf einen "regelrechten Sturm" gefasst machen.
Trump hat im Wahlkampf immer wieder mit heftiger Kritik an China Aufsehen erregt. Der China-Kritiker Peter Navarro, Professor für Ökonomie an der Paul Merage School of Business der University of California in Irvine, südlich von Los Angeles, ist ein wichtiger Wirtschaftsberater Trumps. Navarro ist China-Beobachtern bereits 2011 mit dem Buch und Dokumentarfilm "Death by China - Tod durch China" aufgefallen. In seinem neuesten Werk "Crouching Tiger" schreibt Navarro sogar über die Gefahr eines Krieges zwischen den USA und China. Trotzdem hat die chinesische Regierung zuerst eine abwartende Haltung eingenommen. Doch schon vor fast zwei Wochen hat Trump mit einem Telefonanruf bei der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen Ärger in Peking hervorgerufen. Denn auch dieser Anruf - der erste Direktkontakt zwischen den Präsidenten beider Länder seit 40 Jahren - stand im Gegensatz zur Ein-China-Politik der USA. Offiziell wurde diese Telefonkonversation freilich von chinesischer Seite heruntergespielt, damals verlaute, man glaube nicht daran, dass die USA etwas an der Ein-China-Politik verändern würden. Zudem hieß es, Trump sei noch nicht offiziell im Amt, als Privatmann sei es seine Sache, wen er anrufe.
In den USA war der Anruf aus mehreren Gründen umstritten: Der Bruch mit US-chinesischen diplomatischen Gepflogenheiten ist ohne jede Absprache mit dem US-Außenministerium oder den im Kongress mit US-Außenpolitik befassten Gremien erfolgt. Dass der umstrittene Anruf auf Vermittlung des früheren republikanischen Präsidentschaftskandidaten Bob Dole zustande gekommen ist, der sich jahrelang als Lobbyist Taiwans verdingt hatte, gab der Causa einen seltsamen Beigeschmack. Bob Doles Firma Alston & Bird soll insgesamt rund 140.000 Dollar für seine Lobbying-Dienste im Interesse Taiwans erhalten haben.
Dass, wie die "New York Times" und verschiedene taiwanesische Medien gemeldet haben, Vertreter von Donald Trumps Konzern zuletzt starkes Interesse an der Beteiligung an einem Immobilienprojekt in der Nähe des Taoyuan International Airport - der zurzeit massiv ausgebaut wird - gezeigt haben, wirft zusätzliche Fragen auf.
Wie schreibt die chinesische Zeitung "Global Times": "China muss gut bewaffnet und bereit für eine Achterbahnfahrt mit Donald Trump sein. Aber auch andere - überall auf der Welt - tun gut daran, sich anzuschnallen."