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Bereits 1876 Ringen um Floridas Wahlmänner

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Washington - Das Tauziehen um die Zuteilung der 25 Wahlmänner von Florida soll - wenn nicht von den Demokraten die in den Raum gestellte Wahlanfechtung Wirklichkeit wird - kommenden Donnerstag zu Ende sein. Schon einmal waren die Wahlmänner Floridas neben denen aus drei weiteren Staaten wahlentscheidend: 1876, als nicht der demokratische Kandidat mit den meisten Stimmen, sondern sein republikanischer Herausforderer gewählt wurde. Das Tauziehen um die Wahlmänner wurde damals erst zwei Tage vor der Amtseinführung entschieden.


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Die Parallelen von 1876 zur heutigen Situation sind verblüffend. Damals trat für die Demokraten der Gouverneur von New York, Samuel J. Tilden und für die Republikaner der Gouverneur von Ohio, Rutherford B. Hayes an, Tilden erhielt rund 250.000 Stimmen mehr als Hayes, insgesamt 51 Prozent der Stimmen. Auf Hayes entfielen 48 Prozent. Mit 184 Wahlmännern verfehlte Tilden am Wahlabend - wie heuer der 7. November - die damals notwendige Mehrheit um eine Stimme. Auf Hayes entfielen am Wahlabend 165 Wahlmänner. Die Zuteilung der Wahlmänner aus Florida, Louisiana, Süd-Carolina und Oregon blieb umstritten. Es wurde eine Kommission gebildet, der je 5 Mitglieder aus dem Repräsentantenhaus, dem Senat und dem Obersten Gericht angehörten - 8 Republikaner und 7 Demokraten. Diese Kommission gestand Hayes am 2. März 1877, zwei Tage vor der Amtseinführung am 4. März, 20 zusätzliche Wahlmänner zu und damit den Sieg mit einer Stimme Vorsprung. Obwohl Hayes, der sich später auch nicht um die Wiederwahl bewarb, persönlich überaus korrekt war, sprach man damals ironischerweise nicht von seiner Presidency (Präsidentschaft), sondern in Bezug auf das englische Wirt für Betrug (fraud) von Fraudency.

Ganz offen Wahlbetrug gab es bei einer der knappsten Wahlen im 20. Jahrhundert, dem Rennen zwischen dem amtierenden Vizepräsidenten Richard Nixon und Senator John F. Kennedy am 8. November 1960. Kennedy gewann diese Wahlen nur mit 0,2 Prozent Vorsprung, das waren gerade einmal 112.000 Stimmen. Allerdings konnte er 303 Wahlmänner auf sich vereinigen, Nixon aber nur 219. Die Wahlmänner für Kalifornien - damals 32 -, die letzten Endes an Nixon fielen, waren wegen des knappen Ergebnisses noch nach mehr als einer Woche nicht zugeteilt. Die 27 Wahlmänner von Illinois hatte Kennedy mit einem knappen Vorsprung von bloß 9.000 Stimmen für sich gewinnen können. Sein größter Wahlhelfer war damals der Bürgermeister von Chikago, Richard Daley, der Vater von Al Gores Wahlkampfmanager Bill Daley. Es galt 1960 als offenes Geheimnis, dass Daley das schaffte, worauf brave Christen insgeheim hoffen. Für die Wahl Kennedys, so schätzt man, sind 1960 15.000 Tote wiederauferstanden und in die Wahlzellen marschiert. Nixon wusste ebenso wie das FBI von den Manipulationen des Bürgermeisters von Chikago. Trotzdem verzichtete er auf einen Einspruch und gab sich als fairer Sieger: "Ich will Amerika retten". Heute, 40 Jahre später, weiß man allerdings, dass Tricky Dicky, wie Nixon nicht ohne Grund genannt wurde, allen Grund zum Schweigen hatte. In einigen südlichen Bundesstaaten hatte seine Wahlkampfmaschinerie nämlich mit den gleichen Tricks gearbeitet. Und zu welchen Machenschaften er bereit war, erfuhr die Welt 14 Jahre später, als er, der zweimal zum Präsidenten gewählt worden war, 1972 sogar mit einem Erdrutschsieg, wegen seiner tiefen Verwicklung in den Watergate-Skandal als erster Präsident in der amerikanischen Geschichte demissionieren musste.