Wien · Vor 61 Jahren wurde das Wiener Bankhaus M. Thorsch & Söhne in Abwesenheit des jüdischen Besitzers Alphonse Thorsch von den Nazis konfisziert. Bis zum heutigen Tag kämpfen seine | Nachkommen · mittlerweile die dritte Generation · um die Rückstellung des Vermögens und die Rückgabe der Banklizenz des ehemals größten Wiener Privatbankhauses neben dem der Rothschilds.
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Die glücklosen Erben werfen der Republik Österreich vor, ihnen damit nach konservativen Schätzungen ein Vermögen von 5 bis 8 Mrd. Schilling vorzuenthalten. Jetzt hoffen sie auf Fortschritte bei
einem Gespräch mit Finanzminister Rudolf Edlinger, das heute stattfindet.
Bereits einen Tag nach dem Anschluß an Nazi-Deutschland am 15. März 1938 seien die Männer der Gestapo beim Privatpalais in der Metternichgasse vorgefahren und hätten alles was nicht niet- und
nagelfest war, auf ihre Lastwagen geladen, erzählt Lorentz Gudenus, der gemeinsam mit seiner Frau, Marie-Therese, einer Urenkelin von Alphonse Thorsch vor zwei Jahren den Kampf um die Rückstellung
wieder aufgenommen hat.
Auch bezüglich des Bankhauses hätten die Nazis keine Zeit verloren. Schon am 28. Juni 1938 wurde der Wiener Giro- und Kassenverein als kommissarischer Verwalter der Bank ins Handelsregister
eingetragen. Ein Schicksal, das insgesamt 78 der vor dem Krieg 92 "nicht arischen Privatbanken" ereilte und die Vorstufe zur Auslöschung bedeutete. Denn der Wiener Giro- und Kassenverein war eigens
dazu gegründet worden, um die Banken auszuschlachten und danach selbst liquidiert zu werden.
Thorsch, der sich mit seiner Frau und den fünf Töchtern unmittelbar vor dem Anschluß über die Schweiz nach Kanada absetzen konnte, gelang es laut Gudenus, die zahlreichen Auslandskonten zu sperren.
Das Bankhaus war in Österreich hauptsächlich verwalterisch tätig. Im Ausland finanzierte man so umfangreiche Projekte wie den U-Bahn-Bau in London oder die Elektrifizierung der Schweizer Eisenbahn.
Unmittelbar vor seinem Tod hat Thorsch noch eine Privatstiftung zur Verwaltung seines Erbes bei der Barclays Trust Company of Canada eingerichtet. Am 30. November 1945 starb er im kanadischen Exil,
kurze Zeit später auch seine Frau Marie.
Im Dezember 1951 wandte sich die besagte Stiftung an die Finanzlandesdirektion Wien mit dem Antrag auf Rückstellung des gesamten Vermögens der Thorschs · allein das Privatvermögen war nach penibler
Nazi-Berechnung auf fast 8 Mill. Reichsmark, nach heutigem Wert laut Nationalbank knapp 430 Mill. Schilling, geschätzt worden · und die Rückstellung der Banklizenz. Die daraus berechnete
"Reichsfluchtsteuer" betrug laut NS-Dokument umgerechnet mehr als 96 Mill. Schilling. Der Antrag wurde mit der Begründung "die 1939 aus dem Register gelöschte Bank ist nicht dem österreichischen
Staat zurückgefallen, darüber hinaus ist man nicht zuständig für die Rückstellung von Banklizenzen" abgewiesen. Der Bescheid wurde in der Folge auch vom Finanzministerium bestätigt.
Daß das Ministerium bezüglich der Rückstellung von Mobilien eindeutig von einer Bringschuld der Opfer ausging, beweist ein Satz in der damaligen Begründung: "So gibt auch die Berufungswerberin zu,
daß es ihr bisher nicht möglich gewesen sei, den Aufenthaltsort der zur Rückstellung beantragten Mobilien ausfindig zu machen."
Weitere Versuche in den folgenden Jahren · vorerst noch vom Trust, später durch Angela Hartig, einer Enkelin des Bankiers · blieben laut Gudenus ebenfalls erfolglos, einzig die Begründungen für
die vorenthaltenen Rückstellungen variierten. Die Palette reichte von "Versäumnis der Einbringungsfrist" bis zum Zweifel an Hartigs "Erbberechtigung" bzw. deren "Fähigkeit, eine Bank zu führen".
So bleiben bis zum heutigen Tag lediglich die fünf Nichten des Alphons Thorsch als jene, denen bereits zwischen 1949 und 1951 Legate zugesprochen wurden. Es handelte sich dabei hauptsächlich um
Immobilien · darunter das ehemalige Bankhaus in der Hohenstauffengasse · in der Wiener Innenstadt, so Gudenus.
Gudenus, der nach eigenen Angaben von den in Kanada und den USA lebenden Thorsch-Nachkommen in der Erbangelegenheit bevollmächtigt wurde, kämpft seit Beginn seiner Recherchen um uneingeschränkte
Akteneinsicht. Diese sei ihm allerdings bisher vom Finanzministerium verweigert worden.
Dort argumentiert man damit, daß "sich eben auch der Herr Gudenus an die Datenschutzbestimmungen halten muß", so ein zuständiger Beamter, der namentlich lieber nicht genannt werden möchte. Für den
Beamten ist die Lage in diesem Fall klar: "Man hat alles zurückgegeben, was im Besitz der Republik war." Und eine Banklizenz könne man nach heutigen Richtlinien nur vergeben, wenn Grundkapital und
Geschäftsführereigenschaften nachgewiesen werden könnten. Man wisse schließlich nicht, was die Thorsch-Erben mit einer derartigen Lizenz vorhätten. Freilich, daß es bei diesem Fall "so etwas wie
einen moralische Aspekt gibt", räumte der Beamte ein.
Heute, Dienstag, gibt es wohl deshalb das Treffen mit Finanzminister Rudolf Edlinger, so Gudenus. Worum es dabei gehen wird, weiß er allerdings nicht. Doch hoffen er und seine Frau endlich auf ein
positives Signal, um wie die Verwandtschaft in Deutschland das zurückzubekommen, was der Familien zustehe. Diese · die Hamburger Bankiersfamilie Warburg · hat ihr gesamtes Vermögen samt Bank schon
unmittelbar nach dem Krieg zurückerhalten. Sollte es allerdings wie bei den bisherigen Gesprächen nicht zu einem Fortschritt kommen, dann "werden wir wohl oder übel den Weg gehen müssen, den wir
unbedingt vermeiden wollten, nämlich über amerikanische Anwälte unser Recht einfordern", stellt Gudenus den Regierungsverantwortlichen die Rute ins Fenster.
Im November des Vorjahres sind auch die Abgeordneten des Nationalrates mit dem Fall Thorsch konfrontiert worden. Die Grünen verteilten anläßlich der Debatte zum Rückgabegesetz für "Raubkunst" ein
Büchlein, in dem der Publizist Hubertus Czernin unter dem Titel "Die Auslöschung" die Causa aufgerollt hat.