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Bericht über kleine und mittlere Unternehmen

Von Leopold Bernd Fruhmann

Politik

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Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner hat dem Parlament kürzlich seinen "Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 1998/99" mit allen

Konjunkturdaten und Informationen über Gründungstätigkeit und Beschäftigung in der gewerblichen Wirtschaft vorgelegt. Die Schwerpunktthemen "Nahversorgung" und "Euro" werden vertieft behandelt. Zudem

bietet der Minister eine erste Bilanz über Maßnahmen zugunsten der KMU, wie das Fachkürzel für kleine und mittlere Unternehmen heißt. Den Kleinen wird in der österreichischen und in der europäischen

Wirtschaftspolitik Priorität beigemessen, wie der Bericht anhand aktueller EU-Dokumente aufzeigt, in denen man etwa liest: "Kleine und mittlere Unternehmen sind die Grundlage für die wirtschaftliche

Stärke der Europäischen Union". Daher hat auch die österreichische Ratspräsidentschaft die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die 18 Mill. KMU in der EU zu einem ihrer Schwerpunkte erklärt. So

befaßte sich die Badener EU-Konferenz vom September 1998 mit dem Thema "Unterstützungsmaßnahmen für KMU", darüber und über weitere Initiativen und Programme der Europäischen Union enthält

Farnleitners Bericht detaillierte Informationen. Die parlamentarische Beurteilung dieses Berichtes werden die Abgeordneten in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 9. Juni vornehmen.

18.150 Betriebe und 150.000 Arbeitsplätze mehr

1997 waren in rund 209.000 Betrieben der gewerblichen Wirtschaft 2,056 Mill. Personen beschäftigt. Bei unterschiedlicher Entwicklung der Sektoren nahmen die Betriebe seit 1989 um 18.150 oder 9,5

Prozent, die Beschäftigung um 150.000 Arbeitsplätze oder 8 Prozent zu. Der mit 38 Prozent aller Betriebe führende Bereich "Gewerbe und Handwerk" wuchs überdurchschnittlich, die Zahl der Betriebe um

20 Prozent, die Arbeitsplätze um 84.000 oder 16 Prozent, dies vor allem wegen der Dynamik in den Wirtschaftsdienstleistungen. Im Handel stieg die Beschäftigung bei geringer Vermehrung der Unternehmen

um 14 Prozent oder 54.000 Arbeitsplätze. Das starke Beschäftigungsplus von 50.000 im Verkehr und im Tourismus (plus 43.000) ist zum Teil Folge der Ausgliederung vieler Heil-, Kur- und

Krankenanstalten, die nicht mehr zum öffentlichen Sektor, sondern zur gewerblichen Wirtschaft zählen. Gewicht verloren hat das Geld-, Kredit- und Versicherungswesen, das nach 1989

unterdurchschnittlich wuchs.

Konjunkturelle Perspektiven

Die Konjunktur verlief in den KMU-dominierten Sektoren 1997/98 zögernder als in der Gesamtwirtschaft. Gewerbe und Handwerk erzielten 1997 nach Rückgängen 1995/96 ein Umsatzplus von 1,8 Prozent

aufgrund reger Bautätigkeit in den Sparten Sanierung und Erhaltung. 1998 stützten Außenhandel, Tourismus und ein Anstieg des privaten Konsums die Gewerbekonjunktur. Die Preisgestaltung blieb aber

ähnlich vorsichtig wie 1997. 1998 zeichnete sich eine bessere Konjunktur in konsumnahen Branchen ab, die heuer anhalten dürfte. Die Investitionen, vor allem von Kleinstunternehmen, wuchsen 1997 auf

66.000 Schilling pro Beschäftigtem. Gefragt waren Bauten, Anlagen sowie Büro- und Geschäftsausstattung. Druck spürten die Unternehmen 1998 auf der Preisseite. Geklagt wurde über administrative

Belastungen, kaum noch über Mangel an Fachkräften, Eigenkapital oder Aufträgen.

Die Konjunktur im Handel belebte sich in der zweiten Hälfte 1997. Ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft und Tourismuszuwächse ließen den Einzelhandelsumsatz im 4. Quartal 1997 um 2 Prozent steigen. Ab

dem 2. Quartal 1998 wurden Umsatzsteigerungen von über 3 Prozent erzielt. Bis 2002 wird mit einem jährlichen Anstieg der Einkommen um 3,8 Prozent, weiterer Tourismusbelebung und wachsenden

Einzelhandelsumsätzen gerechnet. Der Großhandel erzielte 1997 ein Plus von 2,86 Prozent, in einzelnen Branchen mehr als 3 Prozent. Im 1. Quartal 1998 wuchs er um 3,9 Prozent, seither nur noch

geringfügig.

Der Verkehr erreichte im 2. Halbjahr 1997 eine Umsatzsteigerung von 4 Prozent. Günstig war der Geschäftsgang in der Güterbeförderung, bei den Spediteuren sowie in Luft- und Schifffahrt. Negativ

schnitten Taxis, Autobusse, Fahrschulen und Seilbahnen ab, seit der 2. Hälfte 1997 zeichnen sich auch dort Verbesserungen ab.

Der Aufschwung des Tourismus begann im Sommer 1997 und setzte sich im Winter 1997/98 mit steigenden Inländernächtigungen fort. Ab Mai 1998 ließen auch die Auslandsgäste die Umsätze deutlich wachsen,

wobei der positive Trend im Städte-, Konferenz- und Thermaltourismus sowie bei Hotels mit drei und mehr Sternen auffällt. Experten schätzen die Zukunft des Tourismus gut ein, sofern die Konjunktur in

den Herkunftsländern der Gäste anhält.

Schwerpunktthema Nahversorgung

Ausgangspunkt der Nahversorgungsdiskussion ist die starke Konzentrationstendenz im Lebensmittelhandel. Die beiden führenden Konzerne beherrschen bereits mehr als 50 Prozent des Marktes. Der

Bericht stellt aber klar, daß nur gesunde Geschäfte die Nahversorgung aufrechterhalten können: "Eine Überlebensgarantie für jeden Händler kann und wird es nicht geben." Noch verfüge Österreich über

eine zufriedenstellende Nahversorgung, zumindest in städtischen Regionen, wenngleich sich erste Probleme in Wiener Rand- und Sonderlagen abzeichnen. Insgesamt müssen 180.000 Menschen ohne

Nahversorgung auskommen, wobei vor allem ältere Menschen in Kleingemeinden sowie Alpenregionen ohne Tourismus betroffen sind. Hier sieht Farnleitner den Lebensmittelhandel gefordert, wirtschaftliche

sinnvolle Hauszustellungen anzubieten.

Immer weniger Greißler...

Immer weniger Geschäfte bei insgesamt zunehmenden Verkaufsflächen kennzeichnen die Entwicklung: Bestanden 1960 noch 24.000 Läden, waren es 1998 nur noch knapp mehr als 7.000. Mit weiteren

Schließungen, vorab bei den kleinen Geschäfte bis zu 150 m², ist zu rechnen. Ihr Umsatzanteil schrumpfte seit 1990 von 16,5 Prozent auf 8,9 Prozent. Gewinner der Entwicklung sind Supermärkte zwischen

400 m² und 1.000 m². Im Zuge der Konzentration entwickelt sich die Produktivität der großen und der kleinen Händler auseinander. Während führende Unternehmen 170.000 Schilling Umsatz/m² und 9 Mill.

Schilling pro Mitarbeiter erzielen, liegen die Vergleichszahlen der kleinen Nahversorger deutlich niedriger. Die Beschäftigungsintensität der Kleinen veranlaßt den Wirtschaftsminister zur

Feststellung: "Die Sicherung der Nahversorgung trägt auch zur Beschäftigungssicherung bei."

... immer mehr Einkaufszentren

Konzentrationsprozesse vollziehen sich auch außerhalb des Lebensmittelhandels, etwa bei Drogerien und Parfümerien sowie im Elektro- und Heimwerkerhandel. Der Umsatzanteil der Elektro-Fachmärkte

stieg seit 1990 von 25,4 Prozent auf 58,4 Prozent. 200 Mill. Besucher jährlich registrieren die 87 Einkaufs- und 12 Fachmarktzentren mit ihren 3.300 Handelsbetrieben, 27.000 Mitarbeitern und 65.000

Parkplätzen. Das Verschwinden kleiner Geschäfte gefährdet nicht nur die Nahversorgung in ländlichen Gemeinden, auch Händler in den Innenstädten leiden unter Wettbewerbsnachteilen gegenüber

Einkaufszentren, die billig auf der "grünen Wiese" errichtet werden. Der Bericht nennt als Beispiel ein Warenhaus mit 2000 m² Verkaufsfläche in einer westösterreichischen Kleinstadt, das für 67

fehlende Parkplätze 2,7 Mill. Schilling an Ausgleichszahlungen leisten muß. Als Folge dieser paradoxen Situation drohe die Abwanderung der City-Geschäfte, die Verödung der Innenstädte sowie die

Zunahme von Lärm, Abgasen und Unfällen.

Die Politik reagiert

Auf diese Gefahr haben Nationalrat und Wirtschaftsminister reagiert. Die Gewerbeordnungsnovelle 1997 sieht Maßnahmen gegen die Errichtung von Einkaufszentren vor, mit denen die Kaufkraft ganzer

Bezirke "abgesaugt" wird. Die Abgeordneten legten fest, daß Handelsbetriebe mit einer Verkehrsfläche von mehr als 800 m² oder einer Geschoßfläche von mehr als 1.000 m² nur genehmigt werden dürfen,

wenn sie Nahversorgung und Beschäftigung nicht bedrohen. Aufgrund dieser Bestimmung hat der Wirtschaftsminister im Vorjahr die "Einkaufszentren-Verordnung" erlassen. Sie sieht bei der Genehmigung von

EKZ die Ermittlung einer Umsatzprognose aufgrund der Erfahrungen mit bestehenden Zentren vor. Aus der Relation des zu erwartenden Umsatzes zum Marktpotential im Einzugsgebiet des Zentrums wird die

"Abschöpfungsquote" ermittelt. Sie darf 5 Prozent nicht übersteigen. Ein Großteil der bestehenden EKZ und FMZ würde demnach als "die Versorgungsstrukturen gefährdend" eingestuft werden. Für die

Zukunft sei davon auszugehen, daß die Einkaufszentren-Verordnung die Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben unterbinden wird. Überdies habe sich die Dynamik bei den Einkaufszentren wegen geringerer

Rentabilitätsperspektiven deutlich verlangsamt, heißt es im Bericht.

Nahversorgungsprobleme · ein europäisches Phänomen

Der KMU-Bericht informiert auch über die Behandlung der Nahversorgungsproblematik im kürzlich erschienen EU-Weißbuch "Handel" und über Lösungsansätze anderer Staaten: Ein deutsches Projekt

integriert bislang getrennt angebotene Dienste in einen "Nachbarschaftsladen 2000" mit Cafe, Post, Bank, Lotto/Toto, Schuhreparatur, Reinigung, Versicherung, Fotoarbeiten und Transportdiensten.

Spanien begegnet dem Kaufkraftabfluß in der Region Murcia mit kaufmännischer Aus- und Weiterbildung sowie technischer und finanzieller Hilfe für Händler. Initiativen in den schottischen Highlands

arbeiten mit Beratung, Subventionen und Public Relations. Frankreich baut im Zentralmassiv Gebäude für Nachbarschaftläden, berät die Mieter mit Marktstudien und unterstützt mobile Einzelhändler bei

der Erhaltung und Modernisierung der Verkaufswagen.

Negative Auswirkungen peripherer Einkaufszentren wurden beim "Europäischen Kongreß für Handel und Stadt" im Februar 1999 in Torremolinos thematisiert. Frankreich setzt auf eine Genehmigungspflicht

für Betriebe ab 300 m² Verkaufsfläche, Deutschland auf freiwillige Beschränkungen. Dänemark räumt Gemeinden ein Veto gegen neue Verkaufsflächen in der Nachbarschaft ein. Andere Staaten erwägen eine

Besteuerung der Parkplätze von EKZ, um deren Wettbewerbsvorteile · gute Verkehrslage, große Parkflächen, niedrige Grundstückskosten, billige Bauten · zu kompensieren.

Rechtliche Verbesserungen

An der Spitze der Bilanz über Verbesserungen für die gewerbliche Wirtschaft steht die Gewerbeordnungsnovelle 1997 mit Erleichterungen beim Zugang zum Gewerbe und in dessen Ausübung sowie die

Konzentration der Anlagenverfahren, die der Wirtschaftsminister mit dem "One-Stop-Shop-Prinzip" in den Bezirksverwaltungsbehörden noch weiter beschleunigen möchte. Die Öffnungszeitengesetz-Novelle

mit längeren Gesamtöffnungszeiten und längeren Ladenschlußzeiten am Samstag entsprach, wie sich mittlerweile gezeigt hat, dem Bedarf von 20 Prozent der Kunden. 1998 reduzierte eine Verordnung zum

Bundesstatistikgesetz die Berichtspflichten kleiner Betriebe. Das jüngst beschlossene Wirtschaftstreuhandberufsgesetz verbessert das Angebot an Wirtschaftsdienstleistung für KMU. Die

Wirtschaftsförderung wurde nach dem EU-Beitritt auf Beratung, Schulung, Weiterbildung konzentriert und Akzente auf neue Instrumente wie Haftungen, Bürgschaften und Garantien gesetzt. Stark zugenommen

hat die Regionalförderung. Das Volumen des Forschungsfreibetrages für Erfindungen hat sich seit 1993 verdreifacht. Zur Verbesserung der Finanzierungssituation von KMU in der Gründungs- und

Wachstumsphase dienen Garantien- und Bürgschaften für günstige Bankfinanzierungen, außerdem regen sie Eigenkapitaleinsatz und Investitionen Dritter an. Dem entspricht die 1998 beschlossene Novelle

zum KMU-Förderungsgesetz. Das Haftungslimit der Bürges- Förderungsbank wurde von 7 Mrd. auf 10,5 Mrd. Schilling erhöht und der Hotel- und Tourismusbank ein Haftungsrahmen von 3,5 Mrd. Schilling

eingeräumt.

Was brachten "Offensiven" der Regierung?

Im Detail listet der Wirtschaftsminister KMU-spezifische Massnahmen der "Regierungsoffensiven" für Export, Technologie, Betriebsgründungen, Lehrlinge und Beschäftigung auf. Die Exportoffensive

brachte etwa den Ausbau des Exportfonds für KMU, eine Markterschließungsgarantie, mehr Beratung und Unterstützung durch Studien und Infrastruktur.

Unter Technologieoffensive versteht man die Unterstützung industrieller Kompetenzzentren und Forschungsinstitute, des Technologietransfers, von Kooperationsmodellen Betriebe-Fachhochschulen, der

Gründung von High Tech-Unternehmen, von Informationstechnologien und der Vermarktung von Patenten. Für Innovationen werden Investitionsprämien bereitgestellt. Das Förderungsvolumen des

Forschungsförderungsfonds wurde seit 1996 von 1,8 Mrd. auf 2,6 Mrd. Schilling erhöht und kürzlich im Industrieausschuß ein zusätzlicher Haftungsrahmen von 2 Mrd. Schilling beschlossen.

Gründerservice

Die Gründungsoffensive zielt auf die Verbesserung des Images der Unternehmer. Das 1997 eingerichtete "Gründerservice" wurde von mehr als 600 Jungunternehmern beansprucht. Gründungsbörsen, die

Verknüpfung universitärer Gründungszentren, Ausbildungs-Kooperationen von Hoch- und Fachhochschulen mit Unternehmern und ein Business-Plan-Wettbewerb werden vorbereitet.

Die Lehrlingsoffensive hat die Lage der Lehrbetriebe erleichtert. Der Bericht listet auf: Entfall der Ausbilderprüfung in vielen Fällen, Herabsetzung des Schutzalters auf 18 Jahre, Beschäftigung von

Jugendlichen an Samstagen nach 14 Uhr, Entfall bzw. Senkung des Dienstgeberbeitrages zu Kranken- und Unfallversicherung und ein 20.000-Schilling-Steuerfreibetrag für Lehrlinge im ersten Lehrjahr.

Förderungen

Der 1998 beschlossene Nationale Aktionsplan Für Beschäftigung fördert die Jugendausbildung in KMU, den Zugang zu moderner Technologie und zum Kapitalmarkt sowie Investitionsprojekte. Dazu kommen

die Fremdsprachenoffensive, Fachhochschulen für Berufstätige, die Arbeitszeitflexibilisierung und Erleichterungen beim Arbeitnehmerschutz.

Schließlich stellt Minister Farnleitner konkrete Erfolgen durch die Einrichtung von 23 neuen und die Modernisierung von 26 bestehenden Lehrberufen heraus.

Bereits 7.184 Lehrverhältnisse wurden in den neuen Berufen eingegangen, 1.204 Unternehmen haben die Zulassung als Ausbildungsbetrieb in den neu geschaffenen Berufen beantragt.Õ

Leopold Bernd Fruhmann ist Mitarbeiter des Parlamentarischen Pressedienstes