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Kommissionspräsident Barroso verteidigt Eurobonds gegen Triple-A-Staaten.|"Alarmsignal" an den Märkten.
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Brüssel. Mit Eurobonds und noch mehr Kontrolle der Staatsfinanzen in den Mitgliedsländern versuchten Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Wirtschaftskommissar Olli Rehn der immer rasanter verlaufenden Schulden- und Eurokrise am Mittwoch entgegenzuwirken.
Doch die Märkte versetzten der Eurozone den nächsten Schlag: Sogar eine Auktion deutscher Staatsanleihen (der allersichersten) scheiterte; die Zinsen schnellten binnen Kürze um etwa zehn Prozent auf gut 2,1 Prozent hinauf. Österreichs Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny sprach von einem "Alarmsignal".
Auch für Österreich wurde die Kreditaufnahme im Laufe des Tages abermals teurer - am Nachmittag wären so wie für Frankreich mehr als 3,7 Prozent Zinsen zu zahlen gewesen. Das Triple-A-Rating für die Franzosen wird in Zwischenzeit von zwei der drei großen Ratingagenturen offen in Zweifel gezogen. Belgische Staatsanleihen erreichten mit gut 5,5 Prozent einen neuen Rekordwert.
Vor diesem Hintergrund hielt Barroso ein flammendes Plädoyer für den Erhalt des Euro und die Einführung von Eurobonds, für die er - wie berichtet - drei Optionen zur Diskussion stellt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die österreichische Finanzministerin Maria Fekter und Vertreter anderer Triple-A-Staaten bekräftigten ihre Ablehnung gegenüber den "Stabilitätsanleihen", wie sie die Kommission nennt. Dabei meinen immer mehr Experten, dass sich die Schuldenkrise nur noch mit Eurobonds oder einem deutlich beherzteren Einsatz der Europäischen Zentralbank (EZB) einfangen ließe. Ein hochrangiger Banker und Anleihenexperte sagte zur APA sogar, dass nur noch der unbegrenzte Aufkauf der Staatspapiere durch die EZB die eskalierenden Märkte einfangen könnte. Nach dem "Schweizer Modell" solle die Zentralbank Renditen über fünf Prozent nicht mehr akzeptieren und entsprechend intervenieren. Bis Weihnachten müsse eine Lösung gefunden werden.
Barroso: "Kein kategorischer Widerstand" gegen Eurobonds
Eurobonds seien zwar keine Lösung der unmittelbaren Probleme und könnten Reformen in den Mitgliedstaaten nicht ersetzen, räumte Barroso ein. Ihre Einführung (oder eine Einigung darauf) wäre aber ein Signal an die Märkte, dass die Eurozone diszipliniert und wirtschaftlich in eine Richtung unterwegs sei.
Rehn erläuterte zwei neue Vorschläge, welche die Haushaltüberwachung nachschärfen sollen. Erstens müssten die Budgetentwürfe künftig schon im Oktober (und damit früher als bisher) in Brüssel vorgelegt werden. Sollten sie von vorherigen EU-Empfehlungen oder Vorgaben eines Defizitverfahrens abweichen, dürfte die Kommission eine Neuvorlage verlangen. Zweitens sollen Euroländer, die Hilfskredite benötigen oder auch nur drohen, in finanzielle Schieflage zu geraten und womöglich andere Mitglieder anzustecken, stärker überwacht werden. Auf Vorschlag der Kommission könnten Eurostaaten dann sogar gegen deren Willen zur Annahme von Finanzhilfen gegen tiefgreifende Reformen und Sparmaßnahmen verpflichtet werden. "Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass Mitgliedsländer (Hilfs-)Programme bis zum letzten Moment vermeiden wollen", erklärte der Wirtschaftskommissar. Das berge Kosten und Gefahren für die andern Eurostaaten.
Ohne eine stärkere wirtschaftliche Koordination in der Eurozone, "wird es schwierig bis unmöglich, die gemeinsame Währung zur erhalten", mahnte Barroso. Und kategorischen Widerstand gegen die Eurobonds wollte er auch nicht sehen. Deutschland habe eher Einwände gegen den Zeitpunkt der Debatte aber nicht gegen das Prinzip. Wie bei der anfangs abgelehnten und inzwischen beschlossenen Aufstockung des Eurorettungsschirms EFSF werde "die Realität ein guter Lehrmeister" sein, so der Kommissionspräsident. Merkel bezeichnete Barrosos Vorstoß als "bedauerlich und unpassend". Einen massiveren Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB lehnte sie erneut ab. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter warnt davor, dass "Eurobonds ein großer Nachteil für Österreich" wären. Viele Experten rechnen zwar, dass deren Zinsen wegen des großen Volumens und hoher Nachfrage sinken würden. Fekter hingegen erwartet, dass der Zinssatz "über 5 Prozent steigen würde, also um ein Drittel höher" wäre. Österreich müsste damit "schlagartig mehr Zinsen zahlen", nach Fekters Darstellung 12 statt bisher 9 Milliarden Euro pro Jahr. Die Kommission rechnet für Eurobonds mit Aufschlägen von 0,5 bis zwei Prozentpunkten gegenüber deutschen Staatsanleihen und einer Milderung der Schuldenkrise in Europa.