Vor einer Woche feierte er seinen 93. Geburtstag und zog sich vom aktiven Museumsgeschäft zurück: Heinz Berggruen, einer der erfolgreichsten Kunstsammler und großzügigsten Mäzene Europas. Zu seinem Ehrentag erhielt er nicht, nein, machte er Berlin ein Geschenk. Vom französischen Kunsthändler Daniel Malingue kaufte er eines der Hauptwerke des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti, die Skulptur "Große Stehende III" aus dem Jahr 1960. Vier Jahre stand die über zwei Meter hohe Bronzefigur als Leihgabe in der Rotunde des Berliner "Museums Berggruen". Jetzt kann sie dauerhaft an ihrem Ort bleiben.
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Die schmale hieratische Figur, auf ein Minimum an Materialität reduziert, erinnert aus der Ferne in ihrer streng vertikalen Ausrichtung an archaische Statuen Ägyptens oder Griechenlands. Näher betrachtet ist die Oberfläche lebendig und aufgewühlt, jeder Fingerdruck Giacomettis erkennbar.
Nicht nur diese Figur, sondern das ganze Museum ist seinem Namensgeber zu verdanken. Wo einst, durch die Teilung Berlins bedingt, die Antikensammlung provisorisch untergebracht war - gegenüber dem Barockschloss Charlottenburg -, befindet sich seit zehn Jahren die größte private Picasso-Sammlung außerhalb Frankreichs, die der aus einer eher kunstfernen jüdischen Berliner Kaufmannsfamilie stammende Sammler zusammengetragen hat. Im Jahr 2000 hat er seiner Heimatstadt, aus der er 1936 fliehen musste, für einen symbolischen Preis den Großteil seiner Kollektion überlassen, deren tatsächlicher Wert auf mehr als 800 Millionen Euro geschätzt wird.
In der einen der beiden Gardekasernen des Schlosses, das der berühmte Berliner Architekt Friedrich August Stüler für das Regiment "Garde du Corps" erbaute, fand Berggruen den idealen Raum für seine Sammlung. Unter dem Titel "Picasso und seine Zeit" werden auf drei Etagen Gemälde, Skulpturen und Arbeiten auf Papier gezeigt. Im Zentrum der Sammlung steht mit über 100 Exponaten das Werk Picassos. Sein Schaffen ist in allen Facetten zu sehen: Von einem Blatt aus der Studienzeit 1897 bis hin zu Arbeiten von 1972, die ein Jahr vor dem Tod des Künstlers entstanden sind. Rosa und Blaue Periode sind ebenso vertreten wie die Phasen des Kubismus und Klassizismus. Seit den 1920er Jahren vereinen sich unterschiedliche stilistische Merkmale in den Werken.
Zu sehen ist u.a. eine der ersten Studien für Les Demoiselles d'Avignon, einem Meilenstein der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts, die Gouache "Nu Jaune" (1907), die Berggruen im November 2005 für 13,7 Millionen Dollar bei Sotheby's in New York ersteigerte. Oder "Der Gelbe Pullover" (1939), den Picassos Muse Dora Maar trägt. Oder der "Sitzende Harlekin" (1905).
Den zweiten Schwerpunkt der Sammlung bilden über 60 Bilder von Paul Klee. Kleinformatig und fragil zeichnen sie die poetische Welt des Malers von 1917 bis 1940. Mit über zwanzig Werken ist Henri Matisse vertreten, darunter mehr als ein halbes Dutzend der berühmten Scherenschnitte. Plastische Ensembles von Alberto Giacometti sowie Beispiele afrikanischer Skulpturen runden den Kern der Sammlung ab.
Auch nach Eröffnung des Hauses kaufte Berggruen weiter an; z.B. erwarb er vom Museum of Modern Art in New York das bedeutende Picasso-Gemälde "Häuser auf einem Hügel (Horta de Ebro)" aus dem Jahr 1909. Insgesamt 165 Arbeiten wurden im Dezember 2000 von Heinz Berggruen an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übereignet.
In seinen Memoiren "Hauptweg und Nebenwege" (nach dem Titel eines Bildes von Paul Klee) bezeichnet er sich selbst als "Heinz im Glück".