Der britische Architekt Norman Foster - Konstrukteur der gläsernen Reichstagskuppel - nannte Tempelhof einmal die "Mutter aller Flughäfen". Doch obwohl der mehr als 80 Jahre alte City-Airport ein Stück Berliner Geschichte verkörpert, soll er nun aus vorwiegend wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden.
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Die Stadt Berlin will alle finanziellen Kräfte für den Ausbau des Großflughafens Schönefeld bündeln. Gegen die Schließung Tempelhofs regt sich Protest. Mehrere Fluggesellschaften und in Tempelhof ansässige Unternehmen haben dagegen geklagt.
Mit Beginn des Winterflugplans am 31. Oktober soll der Flugverkehr in Tempelhof eingestellt werden. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit stellt die Position Berlins so dar: "Ein guter Kaufmann kann es sich nicht leisten, auf Dauer Verluste zu machen." Seit 1991 hat Tempelhof 139 Mio. Euro Defizite aufgehäuft. Allein 2003 wurde ein Minus von 15,3 Mio. Euro eingefahren. Auch die Passagierzahlen für Tempelhof gingen kontinuierlich zurück. Nach der Wiedervereinigung nutzten noch mehr als eine Million Passagiere jährlich den traditionsreichen Flughafen. Heute sind es gerade mal rund 460.000. "Der Markt hat sich gegen Tempelhof entschieden", sagt der Sprecher der Berliner Flughäfen, Ralf Kunkel. Ein Produkt, das nicht nachgefragt werde, könne nicht mit Subventionen künstlich am Leben gehalten werden. Neben den wirtschaftlichen Gründen sei aber auch entscheidend, den Fluglärm in der Innenstadt zu begrenzen und den Passagieren bessere Umsteigemöglichkeiten zu bieten.
Trotz der Zahlen wollen sich Fluggesellschaften und Unternehmen nicht mit dem Schließungsbeschluss abfinden. Die seit 1995 bestehende Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (ICAT) hat 33.000 Unterschriften für den Erhalt des Flughafens gesammelt, der sechs Kilometer vom Zentrum entfernt und mit der U-Bahn gut erreichbar ist. Die Hauptstadt verspiele gewachsene Strukturen, Zukunftschancen, Arbeitsplätze und Renommee, wirft sie den Verantwortlichen vor.
Angebot für Neuübernahme
Dass Tempelhof auch profitabel betrieben werden kann, wollen die Fluggesellschaften Germania, Windrose und Cirrus beweisen. Sie haben einen Antrag auf Betriebsgenehmigung bei der Senatsverwaltung gestellt. "Wir würden den Flughafen gerne nahtlos zum 1. November übernehmen", sagt Germania-Geschäftsführer Wolfgang Vieweg. Bei der Flughafengesellschaft und dem Senat bemerke er aber "keine große Neigung, dem Vorschlag zu folgen".
Sieben Fluggesellschaften und mehrere am Flughafen ansässige Unternehmen haben vor dem Oberverwaltungsgericht einen Eilantrag und eine Klage gegen die Schließung eingereicht, weil es für sie nicht ausreichend Kapazitäten auf den anderen Berliner Flughäfen Tegel oder Schönefeld gibt, wie der Sprecher des Airlines Operators Committee (AOC), Bernhard Liscutin, sagt. Luxair und Swiss Air, die sich ursprünglich der Klage anschließen wollten, sind inzwischen nach Tegel umgezogen. SN Brussels Airlines erwäge ebenfalls einen Umzug und würde dann aus der Klägergemeinschaft ausscheren. Auch für die restlichen Kläger kommt laut Liscutin lediglich ein Transfer nach Tegel in Frage. Und der komplette Rückzug aus Berlin werde beispielsweise von Intersky nicht ausgeschlossen.
Eine Entscheidung über den Eilantrag wird noch im September erwartet. Darüber hinaus hat die Oberfinanzdirektion gegen die Schließung geklagt, weil das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung dreier Flughäfen bis zur Inbetriebnahme des Großflughafens Schönefeld 2010 in der Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisieren die Entscheidung.
Arbeitsplätze in Gefahr
Weiteres Argument gegen die Schließung von Tempelhof ist der Verlust an Arbeitsplätzen. Hiergegen wehrt sich Flughafen-Sprecher Kunkel. Zwar würden kurzfristig Jobs wegfallen, doch werde das mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze in Schönefeld mehr als kompensiert. Als Faustformel gelte, pro eine Million neuer Passagiere würden 1.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Und Schönefeld sei der am stärksten expandierende Flughafen in Deutschland. Als "sehr unrealistisch" bezeichnete eine Senatsverwaltungssprecherin das Konzept, den Flughafen Tempelhof künftig als Abfertigungsterminal für Schönefeld zu nutzen. Als Verbindung müsse eine 17 Kilometer lange unterirdische Bahntrasse gebaut werden, deren Finanzierbarkeit man sich nicht vorstellen könne.