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Deutsche Regierung beschließt Pkw-Abgabe - Österreich sucht Verbündete für mögliche Klage.
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Brüssel/Berlin. Länder- und parteiübergreifend soll der Widerstand sein. So zumindest stellt sich Österreich das Vorgehen gegen die deutschen Pläne zur Einführung einer Pkw-Maut vor. Nicht nur die Regierung in Wien sucht dafür Verbündete. Auch im EU-Parlament soll sich eine Allianz formieren, die gegen "eine Ausländermaut" auftritt. In einer Expertenrunde loteten gestern, Mittwoch, Vertreter von Deutschlands Anrainerstaaten sowie von Ungarn, der Slowakei und Slowenien ihre Möglichkeiten aus.
Sie kritisieren vor allem, dass die Abgabe Autofahrer aus dem Ausland mehr belasten würde, während deutsche Fahrzeughalter mit einem Ausgleich über die Kfz-Steuer rechnen können. Für den österreichischen Verkehrsminister Jörg Leichtfried ist das "diskriminierend und EU-rechtswidrig". Zwar hätte Deutschland durchaus das Recht, eine Maut einzuheben, nur müsste sie europäischen Regeln entsprechen. Der SPÖ-Politiker, der an der Zusammenkunft im EU-Parlament in Brüssel teilnahm, schließt eine Klage gegen das Nachbarland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht aus.
Einen ähnlichen Standpunkt hatte noch vor einigen Monaten auch die EU-Kommission eingenommen. Die Behörde hatte sogar ein Verfahren wegen Vertragsverletzung gegen Deutschland eingeleitet. Doch vor Jahresende verkündeten die beiden Seiten eine Einigung. Das warf prompt Fragen auf, ob die zuständige Verkehrskommissarin, Violeta Bulc, von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter Druck gesetzt worden war, der wiederum einem Wunsch aus Berlin entgegenkam. Leichtfried kommentierte die Spekulationen: "Das wären Vermutungen. Aber man hört das." Den Meinungsumschwung in der Kommission hieß er jedenfalls nicht willkommen und wies in einem Schreiben an Bulc auf die Diskriminierungen hin, von denen Österreich, wie jedes andere Nachbarland, "unmittelbar und überproportional" betroffen wäre.
Beschluss im zweiten Anlauf
Sein deutscher Amtskollege Alexander Dobrindt zeigte sich davon unbeeindruckt und trieb sein Vorhaben voran. Nun hat das Kabinett in Berlin die Abgabe auch beschlossen. Doch gibt es auch im Bundestag Vorbehalte von Sozialdemokraten und Grünen gegen das CSU-Projekt, mit dem die Christlich-Sozialen schon 2013 in den Wahlkampf gezogen waren. Die SPD äußerte auch Zweifel, dass die CDU den zweiten Anlauf des CSU-Politikers unterstütze.
Denn Dobrindt hat sein Konzept in der Zwischenzeit geändert. So soll es für Autofahrer aus dem Ausland nicht nur drei, sondern sechs Varianten für Kurzzeit-Vignetten geben, die zehn Tage oder zwei Monate gültig sind. Beim Preis wird der Schadstoff-Ausstoß berücksichtigt: Für besonders umweltfreundliche Fahrzeuge kostet die billigste Vignette 2,50 Euro. Der Verkehrsminister frohlockte: "Mit der Infrastrukturabgabe vollziehen wir einen echten Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Reuters. Ausnahmen für Grenzregionen - wie etwa das deutsche Eck bei Tirol oder Salzburg - will er nicht zulassen. Es sei lediglich vereinbart worden, dass die Bundesstraßen mautfrei bleiben.
Skeptiker befürchten jedoch, dass die Maßnahme, die wohl kaum noch heuer umgesetzt wird, mehr kosten als bringen wird. Das Ministerium geht trotzdem von Mehreinnahmen von gut 520 Millionen Euro im Jahr aus.
In Brüssel hingegen argumentierten die Gegner mit europapolitischen Überlegungen. "Das EU-Parlament muss ein Bollwerk gegen falsch verstandenen Protektionismus sein", befand etwa der SPD-Abgeordnete Ismail Ertug. Die ÖVP-Mandatarin Claudia Schmidt wiederum weist Behauptungen der Maut-Befürworter zurück, wonach bisher nur Deutsche für die Infrastruktur in ihrem Land zahlen. Immerhin profitiere dieses auch vom Ausbau der transeuropäischen Netze mit EU-Geld.
Die EU-Parlamentarier haben Kommissarin Bulc eingeladen, in ihrer nächsten Plenarsitzung Rede und Antwort zu stehen. Außerdem planen sie eine Resolution, in der sie auf die Einhaltung europäischer Regeln pochen.
Welche Mitgliedstaaten aber Österreich bei einer möglichen Klage unterstützen würden, ist noch offen. Bei dem Expertentreffen in Brüssel waren Vertreter Polens, Tschechiens, Österreichs, Frankreichs, Luxemburgs, Belgiens, der Niederlande und Dänemarks vertreten - aber auch der Slowakei, Sloweniens und Ungarns. Geschlossenheit gibt es freilich noch nicht. Während etwa für Belgien und die Niederlande eine EuGH-Klage durchaus vorstellbar ist, halten sich Polen und Frankreich zurück.