Zum Hauptinhalt springen

Berlin und Paris an der Reihe

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Rufe nach einer deutsch-französischen Initiative für Reformen in der EU mehren sich.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Rom/Brüssel/Wien. Wenigstens ein Zeichen wollten sie setzen. Als am Wochenende in etlichen europäischen Städten zehntausende Menschen für die Europäische Union auf die Straßen gingen, waren Briten ebenfalls dabei. Sie waren etwa in Rom zu finden, wo 27 Staats- und Regierungschefs - ohne ihre britische Amtskollegin - den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge feierten. In London selbst gab es auch eine Kundgebung.

Doch mit ihrer Sympathie für die EU befinden sich die Demonstranten in der Minderheit: Die Mehrheit ihrer Landsleute hatte beim Brexit-Referendum im Vorjahr für einen Abschied der Insel von der Gemeinschaft gestimmt. Der Prozess wird nun formell eingeleitet. Am morgigen Mittwoch schickt die Regierung in London das Austrittsgesuch nach Brüssel - und Artikel 50 des EU-Vertrages wird aktiviert. Der Paragraf steckt den Rahmen für den Ausstieg ab, ohne freilich auf Details einzugehen. Dass die Verhandlungen über die Trennung, die innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen sein soll, voller Hürden sein werden, ist aber klar.

Die Vorbereitungen dafür haben schon begonnen. Um die Leitlinien für die Gespräche auch offiziell festzulegen, hat EU-Ratspräsident Donald Tusk zu einem Sondergipfel am 29. April eingeladen. Die 27 Staats- und Regierungschefs sollen der EU-Kommission das Mandat zu den Verhandlungen erteilen; als Chefunterhändler wurde bereits der ehemalige EU-Kommissar Michel Barnier bestimmt.

Klar ist aber auch etwas anderes: Die EU wird sich darum bemühen, gegenüber Großbritannien als Gemeinschaft aufzutreten. Denn bilaterale Parallelverhandlungen, die aus bestimmten Interessen einzelner Mitgliedstaaten resultieren könnten, würden die Position der Union schwächen. Das Königreich könnte umgekehrt einen Ausstieg zu günstigen Konditionen erhalten. Eine "Rosinenpickerei" der Briten müsse unbedingt verhindert werden, heißt es in Brüssel.

Einigkeit als Devise

Nicht zuletzt deswegen wird nun in der EU verstärkt Einheit beschworen - und der bevorstehende Brexit ist nur einer der Gründe dafür. Ein weiterer liegt in den Befürchtungen, dass die neue US-Regierung die EU-Staaten ebenfalls auseinanderdividieren möchte. Hinzu kommt eine Vielzahl von Herausforderungen von innen sowie außen, denen sich die Gemeinschaft stellen muss.

Einigkeit lautet daher die aktuelle Devise. Diese ist auch in die "Erklärung von Rom" eingeflossen. "Wir sind zu unserem Glück vereint", ist in dem Gipfeldokument vom Wochenende zu lesen: "Europa ist unsere gemeinsame Zukunft." Vier Bereiche sind dabei hervorgehoben, in denen die Union vorankommen will: innere und äußere Sicherheit, ökonomisches Wachstum und die Vollendung der Wirtschaftsunion, Einsatz für soziale Gerechtigkeit sowie ein Mehr an außenpolitischem Engagement. Zusammengefasst: "In den kommenden zehn Jahren wollen wir eine sichere und geschützte, wohlhabende, wettbewerbsfähige, nachhaltige und sozial verantwortungsvolle Union, die willens und in der Lage ist, eine entscheidende Rolle in der Welt zu spielen und die Globalisierung zu gestalten."

So wichtig allerdings das Treffen und die Erklärung von Rom als Signal des Zusammenrückens auch waren - konkrete Pläne zur Umsetzung der Ziele brachten sie nicht. Das hängt damit zusammen, dass die Vorstellungen der Mitgliedstaaten von der Entwicklung der EU oder auch nur Teilen davon wie der Eurozone sehr unterschiedlich sind. "Heiße Kartoffeln" wie die Stärkung der Währungsunion oder Aspekte der Solidarität in der Migrations- und Flüchtlingspolitik seien beiseitegeschoben worden, schreiben Janis Emmanouilidis und Fabian Zuleeg in einem aktuellen Kommentar für die in Brüssel ansässige Denkfabrik EPC (European Policy Centre). Zweifel seien daher angebracht, ob die "Agenda von Rom" zur "Realität von morgen wird", wie die Gipfelteilnehmer festgestellt hatten.

Ideen für die Eurozone

Trotzdem sehen die EPC-Autoren eine Chance auf nötige Reformen in der Europäischen Union. Eine Möglichkeit dazu könnte sich nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland bieten, wenn dort nicht EU-Skeptiker gewinnen. Eine deutsch-französische Initiative, unterstützt von anderen Mitgliedern, könnte der Gemeinschaft neuen Schwung verleihen.

In das Tandem Berlin-Paris setzt auch das französische Institut Montaigne seine Hoffnungen. Gemeinsame Führungsstärke der beiden Länder sei gefragt, befindet die Denkfabrik mit Verbindungen zu den Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron und François Fillon. In dem Bericht "Das Europa, das wir brauchen" plädiert sie für eine Stärkung der Eurozone und parallel dazu für die Option eines Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Davon hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schon mehrmals gesprochen.

Andere Vorschläge der Franzosen dürften in Berlin hingegen auf weniger Sympathie stoßen, auch wenn sie schon zuvor immer wieder aufgetaucht sind. So ist die Idee zur Etablierung eines eigenen Budgets und Finanzministers für den Euroraum nicht neu. Doch Deutschland ist davon wenig begeistert: Es befürchtet Finanztransfers von reicheren zu ärmeren Staaten.