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Berlin will den Preis für Eurobonds hochtreiben

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Experte Gros: "Deutschland verlangt alles, was Schuldenmachen verhindert."


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Brüssel. Die Debatte über Eurobonds ist voll angelaufen, nachdem Vorschläge von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso durchgesickert sind, die er heute, Mittwoch vorstellen will. Unter Experten wächst der Eindruck, dass Deutschland einer solchen Lösung am Ende zu einem hohen Preis zustimmen könnte.

Fürs Erste hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Linie der Ablehnung aber aufrecht: Sie finde die aktuelle Diskussion unpassend. Fragen einer Haftungsgemeinschaft gehörten "vielleicht ans Ende" eines europäischen Integrationsprozesses. Eurobonds seien kein Allheilmittel gegen die Schuldenkrise, ergänzte ihr Sprecher. Morgen, Donnerstag, will Merkel mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und dem neuen italienischen Premierminister Mario Monti beraten.

Berlin hätte "am liebsten, dass die Probleme einfach weggehen", erläuterte Daniel Gros, Direktor des Brüsseler Think-Tanks CEPS. Daher seien deutsche Spitzenpolitiker so lange gegen Eurobonds, bis es nicht mehr anders geht. Dafür würde Deutschland alles verlangen, was künftigem Schuldenmachen entgegenwirken könnte: Die Palette reiche vom EU-Sparkommissar über Klagerechte gegen Schuldensünder vor dem Europäischen Gerichtshof bis zu Durchgriffsrechten einer EU-Instanz auf die nationalen Haushalte. "Das werden dann wohl alle unterschreiben, bei der Ratifizierung kann ich mir aber vorstellen, dass es in einigen kleineren Ländern Widerstände gibt", meint der Ökonom - ein Hinweis auf eine weitere mögliche Sackgasse.

Inhaltlich findet Gros die Eurobonds-Ideen von Barroso nicht so toll. Eine volle gemeinsame Haftung der Eurozone für die Schulden ihrer Mitglieder sei "nicht sinnvoll": Länder wie Deutschland und Österreich müssten "für alle bezahlen". Die teilweise Vergemeinschaftung der Schulden, etwa bis zu 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, sei "beim derzeitigen Schuldenüberhang gefährlich": Der national finanzierte Anteil könnte zu teuer werden. Die zahmste Lösung, bei der die Euroländer anteilig haften, entspreche dem Modell des Eurorettungsfonds EFSF und sei daher "sinnlos".

Am vernünftigsten sein noch die Variante, die jüngst die deutschen Wirtschaftsweisen präsentiert hatte. Dabei sollen die Schulden über 60 Prozent des BIP gemeinsam refinanziert und konsequent abgebaut werden.

"Wunder passieren selten"

Unterschiedlich große Mühe haben Monti und der griechische Übergangspremier Lucas Papademos, Eurokollegen und Märkte von der Kehrtwende ihrer Länder zu überzeugen. Monti hat den nationalen Schulterschluss fast geschafft, was ihm bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel Anerkennung von Barroso einbrachte. Allerdings gehe es um eine Vertrauensfrage auf den Märkten, "die Situation bezüglich Italien bleibt schwierig, das ist die Realität", sagte Barroso: "Wunder passieren auf den Finanzmärkten selten." Der frühere EU-Binnenmarktkommissar Monti versicherte volle Kooperationsbereitschaft. Papademos holte sich dagegen von Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker eine Frist bis Dienstag. Dann treten die Euro-Finanzminister zusammen und könnten die nächste Notkredittranche freigeben. Voraussetzung sei aber ein klares, schriftliches Bekenntnis Athens zu den Reform- und Sparplänen - auch vom vormaligen Oppositionsführer Antonis Samaras, stellte Juncker klar. Der Chef der konservativen Nea Dimokratia (ND) hatte seine Unterschrift bisher verweigert.