Einige von Westerwelles Ideen stoßen in der "Zukunftsgruppe" auf Kritik.
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Berlin/Brüssel. Eine Gesprächsrunde unter Interessierten sollte es sein. Keine förmliche Konsultation, kein offizielles Forum. Aber doch eine Debatte, die zukunftsweisend sein könnte. So stellte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle das Treffen dar, zu dem er am gestrigen Dienstagabend einige seiner Amtskollegen geladen hatte. Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger machte sich ebenso auf den Weg nach Berlin wie seine Kollegen aus Belgien, den Niederlanden, Spanien oder Polen.
Es sei nämlich Zeit, auch anderes als die Finanzkrise zu diskutieren, hieß es aus Berlin. Vielmehr müsste "die Zukunft des europäischen Projekts" ebenfalls unter anderen Aspekten betrachtet werden.
Die Sichtweise des deutschen Außenministers ist allerdings schon in der Vorwoche auf teils heftige Kritik gestoßen. Denn Westerwelle hatte eine "Neuaufstellung der Europäischen Union" sowie die Erarbeitung einer Verfassung gefordert - nachdem ein solcher Versuch vor wenigen Jahren an Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert war. Dennoch, findet Westerwelle, brauche Europa eine gemeinsame Verfassung.
Die Idee löst aber bei einigen Ländern Widerspruch aus. Zu gut können sich die Politiker an das mühsame Ringen um den Vertrag von Lissabon erinnern, der unter anderem die Beziehung der EU-Institutionen zueinander neu regelte. Auch im europäischen Parlament, das durch das Dokument gestärkt wurde, können sich nicht alle mit einer potenziellen "Neuaufstellung" der EU anfreunden. Die Union müsse nicht neu gegründet werden, meint etwa Othmar Karas. Der ÖVP-Delegationsleiter und Vizepräsident des EU-Parlaments würde lieber auf weitere Integration setzen. "Für mich führt kein Weg an der politischen Union vorbei", sagt Karas.
Einen anderen Vorschlag Westerwelles lehnt er aber nicht grundsätzlich ab: Der Minister hatte sich dafür ausgesprochen, einen Präsidenten der EU direkt von der Bevölkerung wählen zu lassen. Dazu bräuchte es jedoch eine umfassende Wahlrechtsreform, wandte Karas ein. Die Änderungen würden sich kaum vor dem nächsten Urnengang im Jahr 2014 machen lassen.
Der sozialdemokratische Parlamentspräsident Martin Schulz wiederum bringt eine andere Variante in die Debatte. Er plädierte vor kurzem dafür, die Funktionen des EU-Kommissionspräsidenten und des Ratsvorsitzenden zu verschmelzen - im Amt eines EU-Präsidenten, der größere Kompetenzen hätte. Der würde aber nicht direkt vom Volk, sondern von dessen Vertretern gewählt: den Europaabgeordneten.