Zum Hauptinhalt springen

Berlusconi-Attacke gegen Richter stößt auf Ablehnung

Von Peer Meinert

Politik

Rom - Vor zehn Jahren stürzte die italienische Schmiergeld-Republik: Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern aus Mailand gelang es innerhalb weniger Monate, ein System von Korruption und Bestechung zwischen Parteien, Politikern und Geschäftswelt aufzudecken. Der Richter-Pool nannte sich "Mani Pulite" (Saubere Hände), die Staatsanwälte wurden zu Volkshelden, die politische Klasse war am Ende. Jetzt will die Partei von Ministerpräsident Silvio Berlusconi das Vorgehen der Richter von damals durch eine Untersuchungskommission des Parlaments kritisch durchleuchten lassen. Halb Italien ist empört - die Opposition spricht von "Verfolgung der Justiz".


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Der Rechtsstaat steht unter Anklage", titelt die römische Zeitung "la Repubblica" und spricht von einer "Ohrfeige" für die Justiz. Selbst Alt-Politiker der Christdemokraten, die damals im Visier der Richter waren, distanzieren sich. Der nationale Richter-Rat sieht darin einen Versuch, "der Justiz den Prozess zu machen". Antonio Di Pietro, damals Star der Mani-Pulite-Richter, schimpft: "Das ist unmoralisch. Schuld hat nicht derjenige, der die Verbrechen aufdeckt, sondern wer sie begeht."

Noch steht die Kampagne der Forza-Italia-Partei am Anfang: Eine Parlamentskommission hat jetzt den ersten Schritt zur Bildung der Untersuchung von "Tangentopoli" (Schmiergeld-Republik) unternommen. Zum einen soll die damals illegale Parteienfinanzierung durchleuchtet werden. Zum anderen gehe es aber auch um "mögliche Unterschiede bei der juristischen Behandlung sowie eventuelle Unterlassungen und Unvollständigkeiten". Berlusconis Leute hegen den Verdacht, dass die Richter damals mit Vorliebe gegen die Regierungsparteien der Christdemokraten und der Sozialisten ermittelt haben. Die Kommunisten und ihre Nachfolgepartei der Linkssozialisten hätten sie dagegen geschont. Immerhin, der Verdacht, dass die Justiz damals auf einem Auge blind war, ist weit verbreitetet: 59 Prozent der Italiener begrüßten die jetzt eingeleitete Untersuchung gegen die Richter von damals. Berlusconi, gegen den zeitweise ein halbes Dutzend Verfahren wegen Bestechung, illegaler Parteienfinanzierung und schwarzer Kassen lief, hat den Verdacht gegen die Richter selbst jahrelang geschürt. Von "roten Roben" sprach er, die eine "Kampagne" gegen ihn und andere Konservative führten. Tatsächlich bestreitet heute kaum jemand, dass die Mani-Pulite-Leute zumindest anfangs mit fragwürdigen Methoden mobil machten: So nahmen sie Verdächtige gerne in Restaurants fest - die Männer wurden dann vor den Augen der Gäste in Handschellen abgeführt. Durch lange Untersuchungshaft sollten sie "weich geklopft" werden. Tatsächlich gab es viele Geständnisse, aber auch einige Selbstmorde.

Doch die meisten Ermittlungen verliefen im Sand,. Außer Craxi und ganz wenigen Ausnahmen wurden so gut wie keine Politiker aus der ersten Reihe verurteilt. Dabei ermittelte die Staatsanwaltschaft zeitweise gegen ein Drittel der 630 Abgeordneten. Fast 3.200 Ermittlungen gab es damals, aber in nur 1.200 Fällen auch Urteile.

Vorbehalte gegen die Untersuchung der Richter äußerten selbst Alt-Ministerpräsident Giulio Andreotti und der Sohn von Ex-Premier Craxi, Bobo, dessen Vater seinerzeit vor der Justiz nach Tunesien floh und dort starb. Bobo Craxi spricht vom "offenen Krieg zwischen Forza Italia und den Richtern". Und der ehemalige Chef der Mailänder Staatsanwälte Gerardo D'Ambrosio sieht eine ganz besondere Absicht hinter der Untersuchungskommission: "Es handelt sich um eine Einschüchterung derjenigen Richter, die noch heute den Mut haben, gegen Korruption zu ermitteln."