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Berlusconi befindet sich in der Zwickmühle zwischen Bossi und Fini

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Die Forderungen nach Neuwahlen in Italien und die Absagen an dieselben wechseln einander bereits im Tagestakt ab. Die chaotische Lage im italienischen Regierungslager zeigt deutlich die Zwickmühle auf, in der sich Premier Silvio Berlusconi befindet. Seine langjährigen Koalitionspartner Gianfranco Fini und Umberto Bossi haben derzeit das Heft in der Hand.


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Fini, der im Vorjahr seine Partei, die postfaschistische Alleanza Nazionale, mit Berlusconis Forza Italia zum Popolo della Liberta (Volk der Freiheit - PdL) verschmolzen hat, fühlte sich nach den Regionalwahlen im Frühjahr, bei denen die Lega Nord von Bossi überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatte, an den Rand gedrängt. Berlusconi, der Bossis Unterstützung braucht - schließlich hat der ihn 1995 schon einmal gestürzt -, machte dem Lega-Nord-Chef Zugeständnisse, die wiederum Fini bei seiner vor allem in Süditalien angesiedelten Wählerschaft nur schwer vertreten kann.

Bei vorgezogenen Neuwahlen, für die Bossi bis Donnerstag noch mit allem Nachdruck eingetreten ist, hätte nur die Lega Nord etwas zu gewinnen. Berlusconis Partei würde den Verlust dutzender Abgeordnetensitze riskieren, die vor allem in Norditalien der Lega Nord zugute kämen.

Im Süden dagegen würden Fini, die Christdemokraten des früheren Kammerpräsidenten Pier Ferdinando Casini und die sizilianischen Regionalisten am berlusconischen Wählerpotenzial knabbern. Das könnte dazu führen, dass Lega Nord und PdL zwar im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit erreichen, sie aber im Senat verfehlen. Berlusconis Wahlrechtsreform aus dem Jahr 2005, mit der er sich damals die Mehrheit sichern wollte, könnte sich einmal mehr als Schnitt ins eigene Fleisch entpuppen.

Spekulationen der letzten Tage, dass die Lega-Nord-Abgeordneten sich beim kommenden Vertrauensvotum der Stimme enthalten und den Regierungschef so zu Neuwahlen zwingen könnten, zeigen, wie schmal der Pfad für Berlusconi geworden ist. Bossi hat ja auch schon seiner Absicht, die 2008 aus dem Mitte-Rechts-Lager ausgeschiedene UDC von Pier Ferdinando Casini wieder ins Boot zu holen, eine klare Absage erteilt und so sichergestellt, dass sein gewachsener Einfluss in der Regierung nicht geschmälert wird.

Wie lange die Lega Nord angesichts der für sie so günstigen Vorzeichen auf Neuwahlen verzichtet, kann in Rom niemand mit Sicherheit sagen. Bossi wird sich den Verzicht darauf aber sicher teuer abkaufen lassen.

Berlusconi ist unterdessen eifrig bemüht, unter den oppositionellen Abgeordneten der kleinen Zentrumsparteien neue Unterstützer zu finden, die seine Abhängigkeit von den Fini-Anhängern überflüssig macht. Italienische Medien sprechen bereits von einem großen Basar im Parlament. Die Lage südlich des Brenners wird politisch weiterhin explosiv bleiben.

Lega Nord verzichtet auf Neuwahlen