Mit 1.060 Tagen an der Spitze der italienischen Regierung stellt Silvio Berlusconi morgen den bisherigen Rekord von Bettino Craxi ein. Der verstorbene Chef der italienischen Sozialisten, ein enger Freund Berlusconis, war vom 4. August 1983 bis zum 27. Juni 1986 Regierungschef und flüchtete in den Neunzigerjahren nach Tunesien, um mehreren Gerichtsverfahren wegen Korruption zu entgehen.
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Berlusconis Rekord ist aber nach Meinung von Politbeobachtern hauptsächlich auf das neue Mehrheitswahlrecht zurückzuführen, das ihm trotz des geringen Stimmenvorsprungs bei den Wahlen im Frühjahr 2001 eine überwältigende Mandatsmehrheit beschert hat.
Jetzt will Berlusconi einen weiteren Rekord brechen, den von Alcide De Gaspari, der von Dezember 1945 bis Juli 1953 Regierungschef war, allerdings an der Spitze von acht verschiedenen Regierungen, von denen die kürzeste, nämlich die achte und letzte, nach 13 Tage keine Mehrheit im Parlament gefunden hatte. Mit seinem siebenten Kabinett, das von Juli 1951 bis Juni 1953 im Amt war, liegt der langjährige Chef der Christdemokraten aber immerhin noch auf Platz 5 hinter Berlusconi, Craxi, Romano Prodi (876 Tage) und der Regierung Aldo Moro III (833 Tage).
Während Berlusconi sein Jubiläum mit einer CD ROM feiert, die in einer Auflage von 50.000 Stück an Schulen, Gemeinden, Firmen und Zeitungen verschenkt wird, lässt die Opposition kein gutes Haar an seiner Regierungstätigkeit. "Was zählt sind nicht die Tage im Palazzo Chigi" (dem Sitz des Ministerpräsidenten, Anm.), meint etwa Enrico Letta, der Wirtschaftsexperte des christdemokratisch dominierten Wahlbündnisses Margherita. Luciano Volante, Fraktionschef der Linksdemokraten im Abgeordnetenhaus und früherer Parlamentspräsident sieht überhaupt nur negative Rekorde in der Amtszeit Berlusconis und wirft dem Regierungschef vor, Italien in eine soziale, wirtschaftliche und finanzielle Krise gestürzt zu haben. Und selbst Bobo Craxi, der für die Regierungsmehrheit im Parlament sitzt, erinnert angesichts der Geiselkrise im Irak, dass s ein Vater Bettino 1985 die 600 Geiseln auf dem Luxuskreuzer Achille Lauro heil nach Hause gebracht hat.
Berlusconi sieht das alles natürlich anders. In zwei Jahren will er sich wieder zur Wahl stellen, und er zeigt sich siegessicher. Zuerst muss er allerdings die Europa- und Kommunalwahlen am 12. und 13. Juni überstehen, die zum Test für seine Regierungsmehrheit werden könnten.
Bossi verließ Krankenhaus
Der Vorsitzende und Gründer von Italiens rechtspopulistischer Regierungspartei Lega Nord, Umberto Bossi, der am 11. März eine schwere Herzattacke erlitten hatte, hat am Montag das Krankenhaus seiner Heimatstadt Varese verlassen. Bossi wurde in eine Klinik eingewiesen, wo er einem speziellen Rehabilitierungsprogramm unterzogen werden soll. Bossi wird als Spitzenkandidat der Lega Nord in allen fünf italienischen Wahlkreisen an den EU-Wahlen teilnehmen.