Vertrauensvotum über Justizgesetze und eine Verfassungsreform. | Bossi drängt immer stärker auf Neuwahlen. | Rom/Wien. Die Spitze der italienischen Regierungspartei Popolo della Liberta (PdL - Volk der Freiheit) trat am Freitagnachmittag zu einer Krisensitzung zusammen, um das weitere Vorgehen nach dem Bruch zwischen Premierminister Silvio Berlusconi und Parlamentspräsident Gianfranco Fini festzulegen.
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Schon vor Beginn der Sitzung sickerte durch, dass man die 43 Abgeordneten und 10 Senatoren der neuen Fini-Fraktion Futuro e Liberta (FLI - Zukunft und Freiheit) per Vertrauensabstimmung über Justizgesetze, die Berlusconi vor Prozessen schützen sollen, und eine Verfassungsreform zur Direktwahl des Staatspräsidenten auf die Probe stellen werde.
Berlusconi muss nämlich befürchten, dass der Verfassungsgerichtshof im Dezember das von seiner Mehrheit beschlossene Gesetz aufhebt, das ihn und andere Spitzenpolitiker vor Gerichtsverfahren während ihrer Amtszeit schützt. Danach könnten drei Prozesse gegen den Premierminister sofort wiederaufgenommen werden. Das soll durch ein Gesetz verhindert werden, durch das die Prozessdauer wesentlich eingeschränkt und damit die Verjährungsfrist verkürzt wird.
Weitere Themenbereiche für Vertrauensabstimmungen sollen der Föderalismus, die Süditalien- und die Steuerpolitik sein, wo es bisher ebenfalls Differenzen innerhalb der Regierung gegeben hat.
Premierministerin der Zwickmühle
Berlusconi befindet sich derzeit in einer Zwickmühle. Einerseits will er versuchen, das Fini-Lager zu spalten und sogenannte Moderate wieder in seine Mannschaft zurückholen, auf der anderen Seite drängen Falken in seiner eigenen Partei und vor allem sein Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord immer stärker auf baldige Neuwahlen, wenn Parlamentspräsident Fini nicht von seinem Amt zurücktritt. Der Lega-Nord-Chef nannte am Freitag bereits mögliche Daten für einen Urnengang: Ende November oder Anfang Dezember.
Abgesehen davon, dass Neuwahlen nur von Staatspräsident Giorgio Napolitano angesetzt werden können, der sich aber bisher klar dagegen ausgesprochen hat, könnten sie durchaus zum Bumerang für Berlusconi werden. Nach dem derzeitigen von der damaligen Regierung Berlusconi im Jahr 2005 beschlossenen Wahlrecht könnte es nämlich wieder dazu kommen, dass im Senat keiner der beiden Blöcke über eine klare Mehrheit verfügt. Am meisten von Neuwahlen profitieren würde derzeit die Lega Nord, die - wie schon bei den Regionalwahlen im Frühjahr dieses Jahres - der PdL Stimmen wegnehmen würde. Berlusconi wäre damit seinem Koalitionspartner Umberto Bossi, der ihn 1995 schon einmal gestürzt hat, auf Gedeih und Verderben ausgeliefert.
Berlusconi muss schon derzeit an allen Fronten kämpfen. Dass er am 30. August mit dem libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi den zweiten Jahrestag des italo-libyschen-Staatsvertrags feiert, sorgt in Rom für Polemik. Die Opposition wirft dem Premierminister vor, nur an einem Einstieg in den libyschen Medienmarkt interessiert zu sein.
Ebenfalls für negative Schlagzeilen sorgt ein Gesetz, mit dem der zum Berlusconi-Imperium gehörende Mondadori-Verlag seine Steuerschulden auf einen Bruchteil reduzieren konnte. Statt 350 Millionen Euro, die seit 1991 angefallen sind, braucht der Verlag jetzt nur 8,6 Millionen zu berappen.