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Zickzack-Kurs des Ex-Premiers vor Abstimmung im Senat über Amtsverlust.
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Rom. Silvio Berlusconi droht angesichts der am kommenden Montag im Immunitätsausschuss des Senates anstehenden Abstimmung über den Verlust seines Senatsmandats neuerlich mit dem Sturz der Regierung und setzt auf Neuwahlen am 24. und 25. November.
Der Ex-Premier setzt damit seinen Zickzack-Kurs der letzten Tage fort. Am Freitag hatte er bereits mit dem Sturz der Regierung gedroht, offensichtlich schwer verärgert darüber, dass sein Name nicht auf der Liste der vier am Freitag von Staatspräsident Giorgio Napolitano zu Senatoren auf Lebenszeit ernannten Persönlichkeiten stand. Am Sonntag dementierte er und am Montag ließ er durchblicken, dass seine fünf Kinder aus zwei Ehen ein Gnadengesuch beim Präsidenten einreichen wollen. Es wurde sogar darüber spekuliert, ob sich seine zweite Ehefrau Veronica Lario, mit der er noch über die Alimente streitet, dieser Gnadenbitte anschließen würde.
Durch einen Vertrauten ließ Berlusconi am Montag noch bei Napolitano über seine Chancen auf Begnadigung sondieren. Der Präsident ließ dem Ex-Regierungschef aber mitteilen, dass sich seit seiner Erklärung vom 13. August nichts geändert habe: Eine Begnadigung könne nur die Hauptstrafe betreffen - also die durch eine Amnestie von 2006 ohnehin von vier Jahren auf ein Jahr reduzierte Haftstrafe -, nicht aber das Verbot der Bekleidung öffentlicher Ämter. Bitten müsse darum ein Verurteilter, der die Verurteilung akzeptiert, also bereit sein müsse, die aktive Politik zu verlassen, und drittens müsse der Verurteilte die Strafe angetreten haben, und sei es nur für einen symbolischen Tag lang.
Diese Bedingungen sind für Berlusconi unannehmbar. Vielmehr hat er sich durch seine Anwälte ein Dossier vorbereiten lassen, in dem 13 Präzedenzfälle angeführt werden, in denen Begnadigungen durch den Präsidenten auch Zusatzstrafen beinhalten.
Berlusconi-Zeitung attackiert Napolitano
Und nach der kalten Dusche aus dem Präsidentenpalast am Quirinalshügel - in Italien kurz und bündig "Il Colle" (Der Hügel) genannt - schlug auch Berlusconis Medienimperium zu. In der zu seinem Konzern gehörenden Zeitung "Il Giornale" wird Napolitano als "Auftraggeber" und als "Henker" des PdL-Führers bezeichnet. Zuvor hatte das Blatt bereits die Ernennung der vier Senatoren auf Lebenszeit unter dem Titel "Der Hügel verübt einen Anschlag auf die Verfassung" kommentiert.
Die Turiner Zeitung "La Stampa" berichtete am Mittwoch, dass Berlusconis langjähriger Kabinettschef Gianni Letta - der Onkel von Regierungschef Enrico Letta - daraufhin einen Anruf aus dem Präsidentenpalast erhielt, der ihn - nach "superverlässlichen Quellen" - "aus dem Sessel hob". Für Napolitano sei das Maß voll und es werde keine weitere Provokation mehr toleriert, war der Inhalt des Gesprächs. Wenn Berlusconi eine Begnadigung wolle, solle er sich nicht der Illusion hingeben, dass das ohne einen politischen Preis möglich ist.
In einer neuerlichen Krisensitzung in seiner Luxusresidenz in Arcore bei Mailand forderte Berlusconi den nominellen Chef seiner Partei PdL, Angelino Alfano, auf, der Demokratischen Partei (PD) ein Ultimatum zu stellen. Wenn die PD nicht anerkennt, dass das Severino-Gesetz vom Dezember 2012, das Berlusconi mit dem Amtsverlust bedroht, nicht rückwirkend angewendet werden darf, würden die PdL-Minister die Regierung verlassen, möglicherweise noch diese Woche, nachdem Regierungschef Enrico Letta am Freitag vom G20-Gipfel nach Rom zurückgekehrt ist.
Offensichtlich haben sich die Falken in der PdL mit ihrer Forderung, der Regierung Letta "den Stecker zu ziehen", durchgesetzt. Berlusconi jedenfalls sieht nach Umfragen sein Wahlbündnis mit 36,5 Prozent drei Prozentpunkte vor der Linken und versucht sich mit der Flucht in Neuwahlen zu retten.