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Die Zerrüttung der ehemaligen Regierungspartei treibt seltsame Blüten.
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Anfang Dezember forderte die in schwere Turbulenzen geratene Partei "Volk der Freiheit" (Popolo della Liberta - PdL) Silvio Berlusconis eine Vorverlegung der damals für April geplanten Parlamentswahlen und drohte, Regierungschef Mario Monti das Vertrauen zu entziehen. Seither vergeht kaum ein Tag, an dem in der PdL noch das gilt, was ein paar Stunden vorher noch Linie war.
Am 6. Dezember versagte die PdL der Regierung in einer Vertrauensabstimmung über das Dekret zur Entwicklungspolitik die Unterstützung, weil sie die kritische Stellungnahme eines Ministers zu Berlusconis Rückkehrgelüsten abstrafen wollte. Als Mario Monti daraufhin zwei Tage später ankündigte, nach Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes zurückzutreten, hat er Berlusconi offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt. Dessen Anspruch auf die Premierskandidatur war parteiintern umstritten. Die Ex-Verbündeten von der Lega Nord zeigten Berlusconi die kalte Schulter und auf internationaler Ebene löste die "Rückkehr der Mumie" - so die französische Zeitung "Liberation" auf ihrem Titelblatt - ernste Bedenken aus. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verwehrte sich gegen antideutsche Wahlkampftöne aus Italien. Beim Gipfeltreffen der Europäischen Volkspartei im Brüssel am 12. Dezember musste Berlusconi feststellen, dass seine europäischen Parteifreunde auch Mario Monti eingeladen hatten und dass dieser dort sehr viel mehr Vertrauen genoss als er.
Das und die katastrophalen Umfrageergebnisse, die die PdL nur noch an dritter Stelle zeigten, waren offensichtlich der Anlass für den nächsten Schritt im berlusconischen Eiertanz. Wenn Monti sich an die Spitze einer großen Mitte-Rechts-Koalition stelle, sei er bereit, selbst einen Schritt zurückzutreten, ließ sich der Ex-Premier bei einer Buchpräsentation vernehmen. Monti zeigte sich über das nur wenige Tage nach dem Vertrauensentzug für sein Kabinett gemachte Angebot verwundert und ließ seinen Vorgänger abblitzen.
Während laufend führende PdL-Politiker sich von der Partei lossagen und die PdL sich unübersehbar auflöst, erscheint Berlusconi nahezu täglich in irgendeinem seiner privaten Fernsehsender und im staatlichen RAI-Programm. Dass durch nicht ausgeschaltete Mikrofone offensichtlich wird, dass er sich bei seinen Interviewern bestimmte Fragen bestellt, stört Berlusconi offensichtlich nicht und er sieht sich im Aufwind. Und weil kurz vor der Wahl Ausgewogenheit in der TV-Berichterstattung Pflicht ist, hat es Berlusconi mit dem Wahltermin auf einmal nicht mehr so eilig. Durch Verzögerungen im Parlament versucht die PdL, dessen Auflösung hinauszuzögern - knapp ein Monat, nachdem der Wahltag nicht rasch genug kommen konnte und mit einer Regierungskrise gedroht wurde. Und Mario Monti, der noch vor wenigen Tagen als "Retter der Rechten" herbeigesehnt wurde, ist für Berlusconi zum "kleinen Protagonisten" geschrumpft.