Italiens Premier Silvio Berlusconi hat gestern einen Zwischenerfolg in einem seiner Prozesse wegen groß angelegter Bilanzfälschung verbuchen können. Mit EU-Richtlinien dürften die italienischen Richter eine etwaige Verurteilung nicht begründen, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH).
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Erst 2002 hatte Berlusconi ein auf ihn und einige Vertraute zugeschnittenes Gesetz durchs Parlament geboxt. Damit wurden rückwirkend Verjährungsfristen verkürzt und der Tatbestand der Bilanzfälschung strafrechtlich entschärft. Die Mailänder Richter wollten daraufhin vom EuGh wissen, ob ein derartiges Vorgehen mit dem EU-Recht vereinbar sei. Immerhin geht es um rund 170 Millionen von 1986 bis 1989 in Berlusconis Fininvest-Holding verschwundene Euro.
Das Hauptanliegen der italienischen Justiz ließ das Luxemburger Gericht unbeantwortet. Vordringlich sei, dass europäische Gesetze an sich keine unmittelbaren strafrechtlichen Konsequenzen für den Angeklagten haben, geschweige denn verschärfen dürfen. Der Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes gehöre darüber hinaus zu den "gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten", beschied der EuGH.
Nicht eingegangen sind die Richter auf den Schlussantrag der Generalanwältin Juliane Kokott vom Oktober, die das italienische Gesetz keineswegs als EU-konform beurteilt hatte. Bilanzfälschung sei zwar ein "grundlegender" Verstoß gegen die EU-Richtlinien, sagte auch das Gericht. Für die Wahl der geeigneten Sanktionen seien jedoch die Mitgliedsstaaten verantwortlich. In diesem Fall entsprächen die Sanktionen jedoch nicht der vom Gemeinschaftsrecht geforderten Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit und abschreckenden Wirkung, hatte Kokott gefolgert.