Rom - Seit Jahren fühlt sich Silvio Berlusconi, Medienunternehmer und seit Juni auch Ministerpräsident, von der italienischen Justiz verfolgt. In insgesamt neun Fällen haben ihm die Staatsanwälte entweder Bestechung oder Bilanzfälschung vorgeworfen. Drei Verfahren haben mit einem Freispruch geendet, in zwei weiteren ist er wegen Verjährung ungeschoren davongekommen - doch vier Fälle sind noch anhängig.
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Offenbar gerade deshalb hat der 65-jährige Multimillionär nun den Druck auf die Justiz erhöht. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt ist die Abrechnung mit den Richtern und Staatsanwälten voll angelaufen. Gleich mehrfach hat Berlusconi zuletzt für Aufsehen gesorgt. Zunächst brach er den Stab über die Anti-Korruptions-Kampagne "Saubere Hände", die Anfang der 90er Jahre die italienische Parteienlandschaft völlig verändert hat. "In den letzten zehn Jahren ist ein Bürgerkrieg geführt worden", warf er der Richterschaft in dem Interview vor. Während eines Besuchs beim spanischen Regierungschef Jose Maria Aznar legte er jüngst nach: Die Richterschaft sei von der ehemaligen Kommunistischen Partei unterwandert und strebe einen politischen Umsturz an, behauptete Berlusconi.
Seit Oktober haben italienische Höchstrichter zwei Verfahren gegen Berlusconi in letzter Instanz entschieden. Die erste, bei der es um die Bestechung von Finanzbeamten durch sein Medienunternehmen Fininvest ging, brachte einen glatten Freispruch. Fininvest-Manager hätten zwar Schmiergelder bezahlt, Berlusconi habe davon aber nichts gewusst, lautete die Begründung. Weniger erfreulich lautete das Urteil in einem zweiten Fall von Schmiergeldzahlungen: Berlusconi wurde wegen Verjährung freigesprochen - und nicht wie seine Verteidiger verlangt hatten, wegen erwiesener Unschuld.
Die Wogen gingen jedoch besonders hoch, nachdem am vergangenen Wochenende ein Mailänder Gericht entschieden hatte, einen Prozess gegen Cesare Previti, einen Berlusconi-Vertrauten und Abgeordneten der Berlusconi-Partei "Forza-Italia", wie geplant fortzusetzen. Previti, der bisher wegen politischer Termine nie vor Gericht erschienen war, hatte gehofft, dass der Prozess von vorn beginnen und er damit viel Zeit gewinnen würde. Sein Parteikollege und Staatssekretär im Innenministerium, Carlo Taormina, forderte daraufhin verärgert die Festnahme der Richter, was ihm sogar einen Ordnungsruf von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi einbrachte.
Selbst die rechtsgerichtete Nationalallianz, der wichtigste Koalitionspartner der Forza Italia, hat Taormina scharf kritisiert. Während die Opposition einen Misstrauensantrag im Parlament gegen Taormina angekündigt hat, hat Berlusconi selbst bisher zu dieser Angelegenheit geschwiegen. Dafür hat er die Entsendung von drei italienischen Richtern in die Anti-Betrugs-Behörde der EU im letzten Moment blockiert.
In die Kritik war Berlusconis Mitte-Rechts-Regierung bei der Richterschaft bereits im September geraten, nachdem im Parlament ein Gesetz beschlossen worden war, das Rechtshilfeersuchen erschwert. Künftig muss demnach jedes Dokument mit einem besonderen Stempel versehen sein, um vor einem italienischen Gericht verwendet werden zu können. Außerdem wurden die Verjährungsfristen für Bilanzfälschungsdelikte verkürzt - was Berlusconi nicht gerade zum Nachteil gereichen dürfte.