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Berlusconis Partei will Präsidenten

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Bersani versucht mit Minimalprogramm Regierung bilden.


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Rom. Wahrend ganz Rom am Wochenende im Papstfieber lag und sich auf die Amtseinführung von Pontifex Franziskus am heutigen Dienstag vorbereitet, fielen im italienischen Parlament und am Präsidentensitz im Quirinalspalast, wo im frühen 19. Jahrhundert vier Päpste gekürt wurden, wichtige politische Weichenstellungen.

Nachdem die ersten Versuche, neue Präsidenten für Abgeordnetenhaus und Senat zu küren, am Freitag ohne Resultat geblieben waren, gab es am Samstag in beiden Häusern weißen Rauch. Die für die linksökologische Partei SEL ins Parlament gewählte Laura Boldrini, seit 1993 bis vor kurzem Sprecherin des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, wurde als dritte Frau nach Nilde Iotti (1979-1992, KPI) und Irene Pivetti (1994-1996, Lega Nord) Präsidentin des Abgeordnetenhauses. In ihrer vielbeachteten Antrittsrede legte sie ein klares Plädoyer für Flüchtlinge und Verfolgte ab und betonte, dass es gelte, die Armut zu bekämpfen und nicht die Armen.

In einer Stichwahl zwischen dem bisherigen Senatspräsidenten Renato Schifani von der Berlusconi-Partei PdL und dem Vertreter der Demokratischen Partei (PD), Piero Grasso, wurde Letzterer mit deutlicher Mehrheit in das zweithöchste Staatsamt gewählt. Grasso, der 2005 zum obersten Mafiajäger bestellt worden war, legte ein deutliches Bekenntnis zum Rechtsstaat ab, verneigte sich unmittelbar nach seiner Wahl vor der erst vor wenigen Tagen verstorbenen letzten weiblichen Abgeordneten der italienischen Konstituente, Teresa Mattei, vor den bei der Moro-Entführung genau auf den Tag vor 35 Jahren getöteten Exekutivbeamten und zitierte - mehrfach von stehendem Applaus unterbrochen - Rosaria Schifani, die Witwe eines bei dem Anschlag auf den Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone im Mai 1992 getöteten Polizisten, die beim Begräbnis in der Kathedrale von Palermo an die Adresse der Mafia gesagte hatte: "Ich verzeihe euch, aber ihr müsst knieen, wenn ihr den Mut habt, euch zu ändern."

Grasso erhielt bei seiner Wahl mit 237 Stimmen um 14 mehr als das Mitte-Links-Bündnis im Senat hat, Schifani die 117 Stimmen von Mitte-Rechts. Beppe Grillos M5S-Bündnis hat in einer von heftigem Streit geprägten Vorbesprechung ebenso wie Montis Bündnis die Weisung für Stimmenthaltung ausgegeben. Grassos zusätzliche Stimmen stammen aus den M5S-Reihen. Grillo, der in der Vorwoche noch mit Rücktritt gedroht hatte, sollte einer seiner Abgeordneten für PD oder PdL stimmen, tobte und sprach am Montag von einer Falle, die man seiner Fraktion gestellt habe.

Unterdessen wurde auch publik, dass Monti, der nicht ungern Senatspräsident geworden wäre, am Samstag von Staatspräsident Giorgio Napolitano zurückgepfiffen worden ist. Napolitano hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass seine Aufgabe bis zur Lösung der Krise jene des Regierungschefs ist. Monti hatte zuvor sowohl mit Bersanis PD als auch mit Berlusconis PdL verhandelt und, wie manche Beobachter meinen, auch gepokert.

PD-Chef Pier Luigi Bersani kündigte am Montag an, dass er mit einem nur wenige Punkte umfassenden Programm, in dem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Korruption im Mittelpunkt stehen, das Patt im Parlament auflösen und eine Regierung bilden will.

Berlusconis PdL, die bisher leer ausgegangen ist, verlangt jetzt, dass man ihr das Vorschlagrecht für den Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten einräumt, der Mitte April von der Wahlversammlung aus Abgeordnetenkammer, Senat und Regionen gewählt wird.

Berlusconi selbst, der bis Freitag wegen einer Bindehautentzündung nicht vor Gericht erscheinen konnte, bei der Wahl im Senat am Samstag aber wieder dabei war, hat neuerlich einen Aufschub im Ruby-Prozess erreicht. Und auch zwei seiner Anwälte machten dringliche politische Gründe für ihre Abwesenheit geltend: Sie hätten an einer PdL-Sitzung teilnehmen müssen, in der es um die Wahl der Fraktionschefs in den beiden Parlamentskammern gegangen sei. Staatsanwältin Ilda Boccassini sprach von einer Missachtung des Gerichts, wie sie es in ihrer bisher 34-jährigen Laufbahn noch nie erlebt hat.