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Berlusconis "Volk der Freiheit" - Neue Partei mit vielen alten Problemen

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Vor rund 6000 Delegierten wurde unter dem Namen "Volk der Freiheit" am Wochenende offiziell aus der Taufe gehoben, was unter wechselnden Namen seit 1994/95 politische Realität ist: der Zusammenschluss der beiden größten Rechtsparteien Forza Italia (FI) des 72-jährigen Silvio Berlusconi und der aus dem neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) 1995 entstandenen postfaschistischen Alleanza Nazionale (AN) des 57-jährigen Gianfranco Fini. | Vorausgegangen war dem ein ähnliches Bündnis im Mitte-Links-Spektrum zwischen den Erben der ehemaligen kommunistischen Partei und der christdemokratisch orientierten Margherita-Gruppe, die sich im Oktober 2007 zur Demokratischen Partei (PD) zusammengeschlossen hatten.


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Im Gegensatz zur PD, wo der - in der Zwischenzeit wieder zurückgetretene - Parteichef Walter Veltroni in einer offenen Vorwahl bestimmt wurde, ließ sich Silvio Berlusconi am Sonntag per Akklamation zum Parteichef küren. Als die aus der AN stammende Ministerin Giorgia Meloni gemeinsam mit dem FI-Politiker Antonio Leone die Delegierten zur Wahl per erhobener Stimmkarte aufforderte, flüsterte ihr der die Wahl überwachende Notar zu: "Sag auch durch Akklamation."

Offenbar befürchtete man im Berlusconi-Lager, dass mancher Unzufriedende aus dem Umkreis Finis das geplante 100-Prozent-Ergebnis für den Premier gefährden könnte.

Finis offener Dissens mit Berlusconi in mehreren Fragen ist weithin bekannt: Etwa in der Frage des biologischen Testaments, in dem jedermann festlegen kann, dass er keine künstliche Aufrechterhaltung seines Lebens wolle. Oder in Fragen des Wahlrechts und beim Abstimmungsmodus im Parlament. Als Berlusconi erst unlängst vorschlug, dass im Parlament nur die Klubobleute für ihre Fraktion abstimmen sollten - um parteiinternen Dissens hintanzuhalten - zeigte der Kammerpräsident Fini kein Verständnis.

Es ist auch symbolisch, dass am Einigungsparteitag die von Berlusconi eigenhändig geschriebene Parteihymne nicht erklang, weil die Neo-Parteifreunde von der AN im letzten Moment ihr Veto eingelegt hatten.

Berlusconi blieb in seiner programmatischen Rede sehr zum Missvergnügen der Verbündeten äußerst vage. Nur die - keineswegs neue - Forderung nach mehr Macht für den Premier sprach er klar aus.

Der Ablauf des Einigungsparteitags lässt befürchten, dass die alten Probleme der italienischen Politik auch künftig keineswegs der Vergangenheit angehören. Offiziell mag es zwar weniger Parteien geben, die innerparteilichen Flügelkämpfe machen das aber wieder wett.

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