Österreich: Bundesfinanzrahmengesetz zügelt nur Schuldendynamik. | Schweizer Ökonom: Wir hatten Wake-Up-Call mit Rezession im Jahr 1991. | Wien. "Wir haben keine Schuldenbremse wie in der Schweiz oder in Deutschland", klagt der Volkswirt und IHS-Leiter Bernhard Felderer. "Wir haben es vergangenes Jahr diskutiert, aber wir werden keine haben." Das hätte man ihm bei Diskussionen im Finanzministerium gesagt.
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Dieses Statement von Felderer kam just am Vorabend zum Ministerrat am gestrigen Dienstag, bei dem Finanzminister Josef Pröll das neu beschlossene Bundesfinanzrahmengesetz als "gesetzliche Schuldenbremse bis 2014" titulierte (siehe Seite 7)
Ein schlechter Witz, finden Experten. Denn unter "Schuldenbremse" wird landläufig das Budgetmodell der Schweiz verstanden, das Deutschland - etwas abgeändert - Anfang 2009 auch in seine Verfassung gehoben hat.
Dabei handelt es sich um eine Rechnung, bei der die Ausgaben durch Einnahmen - multipliziert mit einem Konjunkturfaktor - begrenzt werden.
Der Multiplikator ist im Falle einer schlechten Konjunktur (die hinter dem langfristigen Potenzialwachstum zurückbleibt) größer als 1 - damit kann der Staat in schwierigen Zeiten mehr Geld ausgeben, als er einnimmt. In Zeiten der Hochkonjunktur ist der Staat aber verpflichtet, einen Budgetüberschuss zu erwirtschaften.
Mit dem in Österreich verabschiedeten Gesetz hat sich die Politik zwar zu Ausgaben-Obergrenzen für die nächsten vier Jahre durchgerungen, die Verknüpfung mit der Einnahmenseite fehlt jedoch. "Das neue Gesetz dämpft lediglich die Dynamik der Staatsverschuldung ab", meint Bernhard Felderer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". 2009 belief sich die Verschuldung auf 66,5 Prozent, 2013 wird sie auf 74 Prozent steigen. Und selbst die Ausgabenobergrenzen bleiben - per Parlamentsbeschluss - abänderbar. In Deutschland braucht es dagegen eine 2/3-Mehrheit, "das ist eine sehr starke Selbstbindung, von der wir viel halten", so Felderer.
Das bei Volkswirten beliebte Modell stammt aus der Schweiz, die sich seit 2003 auferlegt, strukturelle Defizite durch einen Budgetausgleich über den Konjunkturzyklus hinweg zu vermeiden.
"Wir hatten unseren Wake-Up-Call mit der Rezession im Jahr 1991", erklärte Aymo Brunetti, Chefökonom des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft Montagabend bei einer Podiumsdiskussion in der Wirtschaftskammer Österreich in Wien. Die Einführung der Schuldenbremse sei ein wesentlicher Erfolg gewesen, die Schweiz aus ihrer Wirtschaftskrise herauszuführen. Die Schuldenbremse wirke als automatischer Konjunktur-Stabilisator und habe dazu geführt, dass die Staatsverschuldung in der Schweiz derzeit nur rund 45 Prozent betrage.
Begrenztes Konjunkturpaket
"Wir haben auch ein Konjunkturpaket gemacht, aber wir hatten den vorgegebenen Rahmen von 1,1 Milliarden Franken (760 Millionen Euro)", so Brunetti. "Wann immer es uns möglich ist, versuchen wir, auf Interventionismus zu verzichten und nicht aktivistisch einzugreifen", erklärt Brunetti. Dadurch sei ein ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus möglich, auch wenn die Schweiz 2009 eine Rezession hinnehmen musste. Für 2010 wird bereits in Bern wieder ein Konjunkturanstieg von 1,4 Prozent prognostiziert.
In Österreich sind bisher zwei Konjunkturpakete verabschiedet worden. Insgesamt geht man von rund 6 Milliarden Euro aus, die die Regierung bereitgestellt hat. Eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer zeigt, dass nur rund die Hälfte des Geldes abgeholt wurde. "Einige der Annahmen sind nicht eingetroffen", meint Felderer. Es sei eine "legitime Frage", ob sich die Maßnahmen auf die Konjunktur so positiv ausgewirkt haben, dass eine höhere Staatsverschuldung dadurch gerechtfertigt war. Die Abwägung "ist oft in der Panik der Krise in den Hintergrund getreten", so Felderer.