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Berufstätige Studierende brauchen Ent- statt Belastung

Von Martha Eckl

Gastkommentare
Martha Eckl ist Referentin für Hochschulpolitik in der Arbeiterkammer Wien.
© AK Wien

Die Novelle des Universitätsgesetzes würde die soziale Schieflage weiter verstärken.


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Für die überwiegende Mehrheit der heutigen Studentinnen und Studenten ist ein Brotjob neben dem Studium der Normalfall - und das nicht nur in den Ferien. 65 Prozent sind während des Semesters berufstätig, der Hauptgrund ist die finanzielle Notwendigkeit. Und es ist für viele schwierig, Studium und Job zu vereinbaren, wie die Daten der Studierenden-Sozialerhebung 2019 zeigen. Die soziale Schieflage im Bildungssektor wird auch hier deutlich: Akademikerkinder sind am seltensten und Studierende, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben, am häufigsten erwerbstätig. Zudem gibt es hierzulande mit einem Anteil von 23 Prozent relativ viele Studierende mit verzögertem Übertritt (das heißt, das Studium wird mehr als zwei Jahre nach der Matura oder über den zweiten Bildungsweg begonnen). Ohne diese Studierendengruppe, die vorher berufstätig war, dies auch während des Studiums bleibt und zumeist Eltern ohne Matura hat, wäre das Hochschulsystem sozial noch viel selektiver.

Faktum ist: Für berufstätige Studierende ist der Abschluss eines Universitätsstudiums in der Regelstudienzeit kaum machbar. Die Vereinbarkeit von Studium und Beruf bringt vielfältige, oft nicht planbare Herausforderungen mit sich. Plötzlich auftretende berufliche Verpflichtungen oder auch Betreuungsaufgaben in Kombination mit vielen kleinen Lehrveranstaltungen mit häufiger Anwesenheitspflicht führen dazu, dass der Studienfortschritt in der Praxis nicht wie ursprünglich geplant verläuft.

Die angekündigte Reform des Studienrechts in der Novelle des Universitätsgesetzes geht in die falsche Richtung. Es fehlt der Fokus auf die Bedürfnisse von berufstätigen Studierenden sowie auf die soziale Dimension. Eine Mindeststudienleistung von 24 ECTS-Punkten innerhalb von zwei Jahren in Kombination mit einer zehnjährigen Sperre bei Nichterfüllung, kein Beurlaubungsgrund "Berufstätigkeit" sowie die Reduktion der Mindestanzahl an Prüfungsterminen sind weitere spürbare Belastungen vor allem für jene, die sich ein Studium ohne Job nicht leisten können und/oder denen ein Einstieg ins Studium aus verschiedenen Gründen schwerer fällt (zum Beispiel nicht-traditionellen Studierenden mit Berufsreifeprüfung). Zu befürchten ist, dass insbesondere ältere, berufstätige Studierwillige sowie jene, die als Erste in der Familie ein Studium beginnen möchten, tendenziell abgeschreckt werden. Kleine Verbesserungen, wie Anrechnungsmöglichkeiten auch von Berufstätigkeit, wiegen die Verschärfungen nicht auf.

Die Universitäten brauchen mehr soziale Vielfalt und nicht weniger. Statt Studierende in einer ohnehin bestehenden Ausnahmesituation zusätzlich unter Druck zu setzen, müssten Maßnahmen zu einer besseren Vereinbarkeit von Studium und Beruf umgesetzt werden, wie etwa die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums, ein gesetzlicher Beurlaubungsgrund "Berufstätigkeit", verbesserte Information und Beratung über berufsbegleitende Studienvarianten, Wiedereinführung des Erlassgrundes "Berufstätigkeit" bei den Studienbeiträgen sowie eine umfassende Reform des Stipendienwesens.