Zum Hauptinhalt springen

Beruhigungspille wirkt bisher kaum

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft
Das Auf und Ab der Märkte bringt Währungskommissar Olli Rehn vorerst nicht aus der Fassung. Foto: reu

Forderungsverzicht von privaten Gläubigern wurde stark entschärft. | Staatsanleihen erhalten ab Mitte 2013 eine Umschuldungsklausel. | Brüssel/Wien. Die erste Bewährungsprobe für den neuen "Europäischen Stabilisierungs-Mechanismus" (ESM) ging gleich einmal ordentlich schief. Die Märkte senkten am Montag den Daumen, mit der gemeinsamen Währung ging es folglich bergab: Der Euro fiel am Montagnachmittag unter 1,31 Dollar. Dabei hatten die Finanzminister dem Markt vor der Öffnung der Börsen eine starke Beruhigungspille verabreichen wollen, um nach dem Hilfspaket für Irland ein Überspringen der Staatsschuldenkrise auf die iberische Halbinsel zu verhindern. | Analyse: Irland-Probleme als Fingerzeig - EZB länger als geplant im Krisen-Modus? | Mitgliedstaaten driften zunehmend auseinander


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Denn letzte Woche waren Portugal und sogar Spanien immer mehr ins Visier der Spekulanten geraten. Die Refinanzierungszinsen für den Finanzminister in Lissabon näherten sich mit sieben Prozent der Unleistbarkeit.

Die Atempause blieb aus: Nur die Kurse der irischen Anleihen erholten sich etwas. Die Risikoaufschläge und Versicherungsprämien für portugiesische und spanische Staatsanleihen stiegen weiter an - genau das Gegenteil des gewünschten Effektes.

Dabei sollte das kurzfristig einberufene Krisentreffen von Sonntag den Investoren eigentlich Sicherheit geben: Früher als geplant einigten sich die Mitgliedsländer auf einen permanenten Krisenmechanismus für die Eurozone. Der ESM soll auf der im Frühjahr geschaffenen und bis Mitte 2013 befristeten "European Financial Stability Facility" (EFSF) aufbauen und womöglich sogar mehr als 440 Milliarden Euro Haftungsrahmen umfassen. Er soll den Investoren die Sorge um Ausfälle von Euro-Staatsanleihen nehmen.

Denn der EU-Gipfel im Oktober hatte für große Unruhe auf den Märkten gesorgt - zumal vor allem die Deutschen lang und breit und öffentlich über die Beteiligung von privaten Gläubigern im Fall eines zahlungsunfähigen Eurolandes diskutiert hatten. Jetzt stellten die Finanzminister klar, dass ein neues Regime für Eurozonen-Anleihen jedenfalls erst ab 1. Juli 2013 in Kraft tritt, auf davor begebene Titel nicht anwendbar ist und von den Kreditgebern nicht unbedingt Abschläge von ihren Forderungen verlangt werden.

Sehr wohl werde es aber ein abgestuftes System für den Umgang mit Staaten geben, die massive Zahlungsschwierigkeiten haben - bis hin zur Pleite.

"Haarschnitt" ganz zuletzt

Wie ernst die Lage für ein Euroland ist, soll wie bisher ein gemeinsames Expertenteam der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Währungsfonds (IWF) beurteilen. Dabei soll zwischen kurzfristigen Liquiditätsproblemen und einer dauerhaften Zahlungsunfähigkeit eines Landes unterschieden werden. Im ersten Fall sollen Gläubiger "ermutigt" werden, die Anleihen von Staaten mit vorübergehenden Engpässen nicht auf den Markt zu werfen. Das soll eine Massenflucht verhindern, welche die Papiere weiter unter Druck bringt.

Handelt es sich nicht um finanzielle Engpässe, sondern um eine heillose Überschuldung, wäre in einem nächsten Schritt die Stundung der Schuldenrückzahlung oder der Zinszahlungen denkbar. Erst wenn die Lage aussichtslos erscheint und mehrere Anläufe zu Spar- und Notprogrammen nicht funktioniert haben, werde auch über Abschläge bei den Forderungen gesprochen, erklärte ein Kommissionsexperte - sogenannte "Haarschnitte". Jeder Schritt setzt freilich die Zustimmung der Gläubiger voraus, die gerade bei Staatspleiten schwer zu koordinieren und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Eine zentrale Rolle fällt deshalb sogenannten Umschuldungsklauseln ("Collective Action Clauses") zu, die das Vorgehen in solchen Situationen regeln. Solche Klauseln sind bereits bei Anleihen üblich, die von Schwellenländern begeben werden. Im Wesentlichen schreiben sie vor, dass eine Gläubigerversammlung mit einer qualifizierten Mehrheit über das weitere Vorgehen abstimmt.

Portugals Risiko "recht klein"

Der ESM soll sich strikt an den Vorgaben des Währungsfonds orientieren, hieß es. Er soll in zweieinhalb Jahren den bisherigen Schutzschirm ablösen, unter den Irland nun auch formell geschlüpft ist. Am selben Treffen verabschiedeten die Finanzminister das 85 Milliarden Euro schwere Notpaket, das die grüne Insel auf Kurs bringen soll. Wirtschaftskommissar Olli Rehn zeigte sich überzeugt, dass Irland der Umschwung gelingen werde: "Die Iren sind kluge und hartnäckige Leute", sagte er. Schon 2012 werde das irische Wirtschaftswachstum wieder 1,9 Prozent betragen.

Vorsichtig optimistisch äußerten sich Kommissionsexperten darüber, dass der Dominoeffekt nun angehalten sei: Spaniens Kerndaten seien gut, das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit "sehr niedrig". Portugal habe ein überzeugendes Sparprogramm verabschiedet, das Risiko eines Ausfalls sei "ziemlich klein".

Wissen: Das Irland-Paket

(hes) Irlands Bevölkerung blutet doppelt: Zusätzlich zu den Sparpaketen steuert das hochverschuldete Land 17,5 Milliarden Euro zu seiner eigenen Rettung bei: Diese kommen aus einem Fonds mit Pensionsrücklagen. Das Hilfspaket für Irland umfasst wie erwartet 85 Milliarden Euro. Jeweils 22,5 Milliarden Euro bringen die EU-Kommission, die Euroländer unter Mithilfe von Dänemark, Schweden und Großbritannien sowie der Währungsfonds auf.

Anders als bei den Griechenland-Krediten fließt (vorerst) kein Steuergeld: Die Eurozone und die Kommission nehmen das Geld an den Märkten auf, die übrigen Länder haften dafür. Alles in allem summieren sich Österreichs Haftungen - rechnet man die Anteile am EU-Budget und am Währungsfonds mit ein - somit auf 1,25 bis 1,45 Milliarden Euro.

Irland wird für die Kredite, deren Laufzeit bis zu 7,5 Jahre beträgt, im Schnitt rund 6 Prozent Zinsen zahlen müssen. Überdies erhält Dublin ein Jahr länger (bis 2015) Zeit, sein Defizit unter 3 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Mehr Zeit lassen darf sich auch Griechenland für die Rückzahlung der 110- Milliarden-Euro-Kredite: Statt bis 2015 laufe die Frist bis 2021, sagte Finanzminister Giorgos Papakonstantinou. Die Zinsen betragen aber statt 5,5 nun 5,8 Prozent.