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Beschäftigungsverhältnisse an Unis: Da war doch noch was . . .

Von Wolfgang Weigel

Gastkommentare
© stock.adobe.com / meen_na

Eine Bestandsaufnahme zu Kettenverträgen und Entfristung beim Universitätspersonal.


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Die jüngste Novelle des Universitätsgesetzes 2002 hat die Diskussion um befristete Verträge der wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten, die Frage der Aufweichung durch Kettenverträge beziehungsweise Entfristung wieder entfacht. Und sie zeigt zum wiederholten Mal, dass keine Grundsatzdiskussion der innewohnenden Problematik stattfindet. Also sei - nicht zum ersten Mal - eine Bestandsaufnahme zur sachlichen Frage solcher Beschäftigungsverhältnisse vorgebracht.

Im Hinblick darauf, dass tatsächlich nicht im Vorhinein und eindeutig erkennbar ist, welche Befähigungen - und Willenskraft zu deren Kultivierung - jemand mit sich bringt, der sich um eine wissenschaftliche Stelle an einer Universität bewirbt oder dafür ins Auge gefasst wird, hat ein sehr angesehener Kollege meines Instituts von "Hoffnungskauf" gesprochen und damit klar zum Ausdruck gebracht, dass allenfalls enttäuschte Erwartungen es möglich machen müssen, von einer Beschäftigung wieder zurückzutreten.

Zeit zum Reifen geben

Es ist aber ganz klar, dass es nicht ohne weiteres möglich ist, ex ante zu bestimmten, wann denn die "Bewährungsprobe" zu Ende sein soll: Eingeweihte wissen zum Beispiel, dass Benoit Mandelbrot, der die Theorie der Fraktale entwickelt hat, seinen Kollegen zufolge jahrelang ein für sie nicht nachvollziehbares Leben geführt hat, weil er der Suche nach seiner Theorie vollkommen ergeben war. Nun ist nicht jede und jeder von uns ein Benoit Mandelbrot, aber ein befristeter Vertrag ist jedenfalls weder Antrieb noch fair, wenn es um die Wahrnehmung solcher Chancen geht. Und die Praxis, das abrupte Ende des Dienstverhältnisses abzufedern, indem es einen Werkvertrag oder eine Drittmittelstelle gibt, ist gewiss nur eine schwache Hilfe - von der rechtlichen Zulässigkeit im Einzelfall einmal abgesehen.

Dies muss umso mehr bedacht werden, als die Ausreifungszeit für Neues wohl immer länger wird, weil es ja auch darum geht, den jeweiligen Bestand an überbordendendem Wissen zu sichten und dessen Mängel zu belegen. Daraus ergibt sich schon einmal ein Argument für die Gewährung von ausreichend Zeit, umso mehr, als es ja nicht um wissenschaftliche und künstlerische Ergebnisse allein geht, sondern Betreuungs- und Verwaltungsfunktionen ihren zeitlichen Tribut erfordern.

Systematisch gesehen hat die Nachfragerin, diesfalls also die Universität, natürlich berechtigte Interessen daran, dass es einen "turnover" in den Beschäftigungsverhältnissen gibt: Man möchte (und soll) dem "Nachwuchs" faire Chancen einräumen und Menschen mit neuen Ideen eine Möglichkeit bieten, diese zur Reife zu bringen. Aber - mit Bitte um Nachsicht für einen sehr ökonomischen Gedanken - die Nachfragerin und damit Arbeitgeberin, die Universität, die nicht unbeträchtliche Ressourcen einsetzt, um Ergebnisse realisiert zu sehen, sollte doch die Person mit ihrem nun anerkannten Wissen nicht einfach ziehen lassen oder eigentlich: "freisetzen".

Drohender Qualitätsverlust

Wo bleibt da die Amortisation? Die an der Universität Beschäftigten müssen ihre Einsichten und methodischen Qualitäten doch der Institution weitergeben, ehe diese sich dieser Personen entledigt. Die - noch einmal: ökonomische - Gefahr ist doch, dass die Betroffenen gar keinen Anreiz verspüren, der Institution Universität von dem zu geben, was sie erarbeitet haben, sondern etwas zurückhalten, damit sie an einem anderen Ort ein attraktives Angebot machen können. Und es ist hoffentlich nicht so, wie es (leider) praktische Erfahrungen auch nahelegen, dass die "Alteingesessenen", deren Meriten unbestreitbar sein mögen, schon deshalb lebhaft an der Aussonderung begabten Nachwuchses interessiert sind, damit kein Schatten auf ihre eigene Kompetenz fällt.

Der Aspekt, dass die Lebensplanung wissenschaftlich oder künstlerisch Beschäftigter, die ständig ihr Ablaufdatum vor Augen haben, ohne dieses beeinflussen zu können, viel von jener Energie und Zeit absorbiert, die fruchtbarer verwendet werden könnten - und zwar im beiderseitigen Interesse -, sei hier nur der Vollständigkeit angesprochen. Und, auch das darf man nicht übersehen: Das Prozessuale einer Laufbahn äußert sich darin, dass die Betroffenen selbst sich für Veränderung entscheiden und von sich aus weiterziehen. Die Fluktuation an der Universität ist ein Ergebnis von "push" und "pull", um ein Element der Dynamik der Migration hier zu bemühen, und nicht klein. Mehr sei an dieser Stelle all jenen, die auf starren Beschäftigungsmustern (und deren inakzeptablen Formen der Durchbrechung) beharren, hier nicht ins Stammbuch geschrieben. Nudging - auch wenn der Rippenstoß (hoffentlich) einen blauen Fleck hinterlässt.