Der Bau der Kometgründe verursacht Risse in Wohnhäusern. Nicht nur dieses Projekt wirbelt in Meidling seit Jahren viel Staub auf.
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Normalerweise würde die Schauspielerin Erika Mottl jetzt im Café Raimann in der Schönbrunner Straße sitzen. In einem der letzten Kaffeehäuser im 12. Bezirk, wo sie mehrmals in der Woche ihre Melange zu genießen pflegt. "Das ist mein zweites Wohnzimmer", erzählt die Frau, die bereits seit 1973 gleich in der Nähe wohnt. Doch im Moment ist alles anders. Derzeit steht man hier coronabedingt vor verschlossenen Toren. Auch die Sessel im Schanigarten stehen verwaist herum.
Die gewohnte Idylle ist in diesem Teil Meidlings aber auch durch etwas anderes getrübt: Die Errichtung eines Büro- und Einkaufszentrums auf den Kometgründen wirbelt bereits seit Jahren im wahrsten Sinne des Wortes viel Staub auf - zu viel, wie Mottl meint: "Nicht nur in meiner Wohnung tauchen immer wieder Risse in den Wänden auf."
Die ersten Pläne für die Neugestaltung der Kometgründe wurden 2004 vorgestellt, erinnert sich Erika Mottl, die entsetzt war, als sie davon erfuhr. Sie rief daher eine Bürgerinitiative ins Leben, um gegen die weitere Verbauung des Bezirks anzukämpfen. Der Wiener Gemeinderat beschloss 2008 eine Hochhaus-Flächenwidmung mit Büros und Einkaufszentrum. In bereits wenigen Jahren soll hier ein neues Stadtviertel namens "Vio Plaza" stehen und mit 194 Wohnungen, Büros, einem Shoppingcenter und ein Hotel das neue "Eingangstor zu Meidling" bilden.
Über 150 Millionen Euro will der Bauwerber bis Sommer 2022 investieren. Das neue Zentrum wird auch mehr Verkehr anziehen und die Luftqualität im Grätzel mindern, warnt die Schauspielerin. Am liebsten wäre es ihr und ihren Mitstreitern gewesen, wenn die Gründerzeithäuser stehen geblieben und ein Park zum Wienfluss entstanden wäre. Doch diese Möglichkeit wurde leider vertan, bedauert Mottl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Mehr Grün trotz Wachstum
"In Meidling findet sich die perfekte Mischung zwischen Tradition und Moderne, in der sich jede und jeder zuhause fühlen kann", ist Bezirksvorsteher Wilfried Zankl (SPÖ) überzeugt. Der Bezirk sei für ihn außerdem "ein kleines Wien", wo sich bis aufs Riesenrad alles findet, was die Bundeshauptstadt ausmacht. Die Kometgründe sind für ihn ein "viel diskutiertes Projekt" und es sei gut, dass auf dem Grundstück irgendetwas tue. "Bis vor kurzem war hier ja nur eine hässliche graue Brache ohne jegliche Nutzung", sagt er und verweist auf die Erhaltung der Grünflächen im Bezirk, für die er sich einsetzt und auch nach den Wahlen weiterhin einsetzen will. Deren Flächen seien allein in den vergangenen 20 Jahren trotz steigender Bewohnerzahlen sogar konstant geblieben, freut sich der Bezirkspolitiker.
Hundert Meter stadtauswärts im Frauenheimpark droht weiteres Ungemach: Hier soll ein Zubau des Pflegeheims "Haus Schönbrunn" der Caritas in Obermeidling entstehen. Dafür muss ein Drittel des vorhandenen Parks weichen. Auf der Liegenschaft, die Anfang der 70er-Jahre der Caritas geschenkt wurde, befindet sich das denkmalgeschützte ehemalige "Frauenheim Marie Valerie", das als Pflegeeinrichtung genutzt wird.
Eine überparteiliche Bürgerinitiative, angeführt von Manfred Klaghofer, Inhaber des Zauberkastenmuseums in der Schönbrunner Straße, wehrt sich seit einigen Jahren gegen die Verbauung der Grünfläche, die als Parkschutzgebiet gewidmet ist. 16 der 20 großen Bäume auf dem betroffenen Areal sollen geschlägert werden. 2017 begannen die Planungen, jedoch wurden die Anrainer nicht einbezogen, kritisiert der Vorsitzende der Bürgerinitiative: "Wir schätzen die Arbeit der Caritas und befürworten die Modernisierung des Hauses, aber das Projekt ist für den Standort zu groß dimensioniert, da Kindergarten und Kleinwohnungen dazu geplant werden." Soziales Engagement dürfe nicht zu Lasten von Naturschutz oder auf Kosten der Lebensqualität, Anrainer und des Klimaschutzes gehen, sagt Klaghofer. Über 700 Unterschriften sammelte die Bürgerinitiative im Sommer 2018 in nur zwei Wochen gegen das Projekt - auch viele ältere Meidlinger sprachen sich dagegen aus.
Hinter vorgehaltener Hand
Im Juni 2018 Bezirk befürworteten alle Bezirksparteien die Umwidmung und gaben eine Stellungnahme für den Gemeinderat ab. Lediglich die Liste Pro Hetzendorf war dagegen. Manfred Klaghofer: "Unter der Hand habe ich gehört, dass sich einzelne Politiker im Bezirk sogar gegen das Projekt aussprechen, aber nicht gegen die Parteilinie verstoßen wollen."
Der Petitionsausschuss im Rathaus lehnte den Antrag im November 2018 mit der Begründung ab, dass lediglich eine geringfügige Ausweitung des bebaubaren Bereiches im Parkschutzgebiet erfolgt und keine Umwidmung von Grünland auf Bauland passiert, "was im Ergebnis aber keinen Unterschied mache", so Manfred Klaghofer, der seit zwei Jahren auf ein Gespräch mit Bürgermeister Michael Ludwig wartet. Immer wieder werde er vertröstet oder abgewimmelt - auch von den Eigentümern der Liegenschaft und den politisch Verantwortlichen im Bezirk. "Vielleicht kommt dieser gemeinsame Termin nun nach der Wahl zustande, um konstruktiv nachhaltige und umweltschonende Alternativen herbeizuführen", sagt Klaghofer. "Denn diese wurden bislang noch nie mit uns diskutiert."
Die Caritas ließ über ihren Sprecher ausrichten, dass sie mit den Anrainern im regelmäßigen Austausch stehe. Sie hob die Bedeutung des Hauses für den Bezirk hervor: 90 Pflegeplätze und vier betreubare Kleinwohnungen sollen am Standort künftig angeboten werden. "Nur durch eine Erweiterung der Flächen ist eine zeitgemäße Wohnqualität für unsere BewohnerInnen in Einzelzimmern realisierbar", heißt es in der Stellungnahme.
"Vorauseilende Panikmache"
Für Bezirksvorsteher Wilfried Zankl, dessen Partei bei den Bezirksvertretungswahlen am 11. Oktober zulegen konnte, ist der Frauenheimpark in der Schönbrunner Straße aber kein öffentlicher Park. Dieser stehe im Privateigentum der Caritas, die die Grünflächen der Öffentlichkeit lediglich zur Verfügung stelle. Der geplante Neubau werde auf einer bereits versiegelten Fläche entstehen. Es gebe eine Flächenwidmung aber keinen Baubescheid, erklärt der Bezirkspolitiker.
"Ich bin ein Verfechter der Transparenz und des Dialogs - nicht der vorauseilenden Panikmache." Ihm sei gerade in Zeiten des Pflegenotstandes auch eine gute Versorgung der älteren Mitbürger sehr wichtig. Mit der Errichtung des Neubaus im Frauenheimpark soll im Herbst 2021 begonnen werden, vermutet Klaghofer, der mit seiner Initiative weiter gegen die Umwidmung ankämpfen will.
Die Stadt- und Bezirkspolitik habe aus den vielen Fehlern nichts gelernt, ist Erika Mottl überzeugt und denkt mit Wehmut an die Kometgründe, wo an die ehemaligen Gründerzeithäuser heute nichts mehr erinnert. Verhindern konnte sie dieses Projekt nicht: "Aber wir konnten es wenigstens um einige Jahre erfolgreich verzögern."