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Bescheidenheit als Mittel zum Zweck

Von Christoph Rella

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Was ist jetzt also das Geheimnis für die konstanten Erfolge von Marcel Hirscher? Vordergründig ruhen sie wohl auf drei Säulen: idealem Material, körperlicher Fitness und mentaler Stärke. Nun lassen sich erstere durch die Wahl eines guten Skiproduzenten und das Durchziehen regelmäßiger

Trainingseinheiten relativ leicht umsetzen. Wenn es aber darum geht, in der Konkurrenzsituation den eigenen Kopf frei zu kriegen, ist das schon schwieriger. Auch Hirscher ist ja nur ein Mensch und nicht etwa eine Maschine.

Um also nicht Opfer von Druck, Angst und Nervosität zu werden, hat sich der Salzburger offenbar einige Strategien zurechtgelegt. Eine davon ist gewiss sein Hang zum Understatement. So versteht es Hirscher, durch Tiefstapeln ("Ich sehe mich nicht als Favorit", "Es wird knapp") die Erwartungen beim heimischen Publikum nicht überbordend werden zu lassen. Mit dieser Haltung kann er nur gewinnen: Damit wird ihm nicht nur jeder zweite oder dritte Platz verziehen, sondern auch die auf diese Weise zur Schau gestellte Bescheidenheit gern als Tugend ausgelegt. Auch Ausreden hört man selten - es sei denn, es wird ihm eine angelaufene Skibrille auf die Nase gesetzt.

Was aber nicht bedeutet, dass ihm das Belegen zweiter Plätze große Freude machen würde. Hirschers Mimik lässt da jedes Mal, wenn er wieder einmal nur Hundertstel hinter Henrik Kristoffersen zum Liegen kommt, keinen Zweifel. So lange mit solchen Ergebnissen zu rechnen ist, ist Tiefstapeln gewiss eine Strategie. Nur sollte man sich bewusst sein, dass die Bescheidenheit nicht nur Tugend, sondern auch Mittel zum Zweck sein kann.