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Beschleunigter Boom

Von Michael Ortner

Wirtschaft
Kaffee (hier in Tansania) war das erste Fairtrade-Produkt.
© Matt Crossick

Fairtrade-Produkte werden immer öfter gekauft: Der Umsatz konnte im vergangenen Jahr um fast die Hälfte gesteigert werden.


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Wien. Ob beim Discount-Supermarkt, in der Bäckerei, beim Juwelier oder im Shop für Design-T-Shirts: Fairtrade findet sich fast überall. Vorbei sind die Zeiten, in denen fair gehandelte Schokolade oder Textilien nur in Dritteweltläden verkauft wurden. Der Sprung aus der Nische lässt sich am deutlichsten an den Zahlen ablesen. 2011 wurde österreichweit erstmals ein Umsatz von 100 Millionen Euro erzielt. Im Vorjahr wurden mit Fairtrade-Produkten 270 Millionen Euro lukriert - ein Zuwachs gegenüber 2015 um fast mehr als die Hälfte. Ein Fünftel des Umsatzes, geschätzt 56,3 Millionen Euro werden davon in Wien umgesetzt.

Eine rasante Entwicklung, die die Frage aufwirft, wann die Umsatzkurve abflachen wird. "Der Boom wird so schnell nicht aufhören. Das Wachstum beschleunigt sich eher", meint Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Wir sind 2016 bei allen Warengruppen gewachsen", sagt Kirner, der sich heuer mindestens 10 Prozent Zuwachs erhofft. Im Schnitt geben die Österreicher rund 30 Euro pro Kopf und Jahr für fair Gehandeltes aus.

Prämie für Kakaobauern

Alles begann 1993 mit der Gründung des Vereins TransFair Österreich. Kaffee war als erstes fair zertifiziertes Produkt erhältlich. Es folgten Tee, Kakao, Orangensaft. 2002 kamen Bananen ins Fairtrade-Programm, seit 2005 gibt es Rosen. Zugpferde sind heute jedoch Kaffee, Kakao und Bananen. Jede fünfte Banane, die nach Österreich importiert wird, trägt das Fairtrade-Siegel. 2016 wurden mehr als 20.000 Tonnen fair gehandelte Bananen verkauft, 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch Rohkaffee konnte um 16,7 Prozent auf 3660 Tonnen zulegen. Am kräftigsten wuchs die Menge an Kakaobohnen, die wichtigste Zutat für Schokolade. Heimische Hersteller verarbeiteten 2273 Tonnen - mehr als 80 Prozent als 2015.

Davon profitieren vor allem die Kakaobauern in Westafrika, Indonesien oder Brasilien. Denn für jede Tonne Fairtrade-Kakao erhalten sie einen Mindestpreis von 2000 Dollar und eine zusätzliche Prämie von 200 Dollar, für Bio-Qualität sogar 300 Dollar. Den Bauern und Plantagenarbeitern gibt das eine gewisse Sicherheit, denn der Kakaopreis unterliegt ständigen Schwankungen. Seit vergangenem Jahr ist er stark gefallen, derzeit liegt er rund 200 Dollar unter dem Fairtrade-Mindestpreis. Bei Kakao sieht Kirner einen Push-Effekt: Immer mehr Unternehmen in Österreich verwenden für ihre Schokoladen fair gehandelten Kakao. Seit mehr als zehn Jahren setzt etwa Zotter auf Fairtrade, Heindl verwendet für sein gesamtes Sortiment Fairtrade-Kakao und zuletzt konnte die Confiserie Berger gewonnen werden.

Rund 127 Unternehmen aus Österreich verwenden das Fairtrade-Siegel und unterstützen damit Kleinbauern-Kooperativen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Um die Fairtrade-Standards wie etwa das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit, die Organisation in Gewerkschaften oder umweltschonenden Anbau zu gewährleisten, gibt es Kontrollen. Flocert, eine unabhängige Organisation, führt diese Audits regelmäßig durch und prüft, ob eine Zertifizierung vergeben oder aufrechterhalten wird.

Gestiegenes Bewusstsein

Der Hauptgrund für den Boom von Fairtrade-Produkten liegt laut Kirner im steigenden Bewusstsein der Konsumenten. "Die Einkommensunterschiede steigen, es wird immer wichtiger, was gerecht und fair ist." Doch auch die Bekanntheit der Marke trägt zum Erfolg bei. Laut einer Markenstudie von Young & Rubicam liegt Fairtrade unter den 25 stärksten Marken Österreichs - vor BMW und Volkswagen. Bei der Studie ging es nicht um Größe oder Umsatz, sondern etwa darum, wie relevant und vertraut eine Marke ist.

Inzwischen bieten mehr als 1800 Cafés, Bäckereien, Hotels, Restaurants und Kantinen fair produzierte Waren an. Allein das Café Schwarzenberg verkauft laut eigenen Angaben 165.000 Tassen fair gehandelten Kaffee. Neu hinzugekommen sind vergangenes Jahr etwa die Cafebrennerei Franze und das Restaurant Churrascaria.

Mit fairem Gold kam eine gänzlich neue Produktschiene hinzu. Genaue Zahlen dazu gibt es allerdings noch nicht. Laut den Partnerunternehmen von Fairtrade wurde "mehr verkauft als erhofft" und der "Start ist gelungen".