Über ein Verbot oder die Beibehaltung muss in erster Linie mit den Juden diskutiert werden, nicht mit den Muslimen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das Landgericht Köln hat die Beschneidung von Buben als "schwerwiegenden und irreversiblen Eingriff in die Integrität des menschlichen Körpers" verurteilt und damit für einen Aufschrei des Protestes von jüdischen und muslimischen Gruppen gesorgt.
Die Beschneidung sei in beiden Religionen ein Symbol des religiösen Glaubens, sagen die einen.
Das deutsche Urteil zum religiösen Beschneidungsverbot von Minderjährigen sei richtungsweisend, sagen die anderen.
Die Religionsfreiheit werde hier nicht beschnitten, sondern auf jene ausgeweitet, die sich noch nicht wehren können. In einer Abwägung der freien Religionsausübung der Eltern und der Religionsfreiheit sowie körperlichen Unversehrtheit des Kindes wurde dem Schutz des Kindes der Vorrang eingeräumt.
Für die Juden ist es eine bedeutende religiöse und kulturelle Frage. Die Beschneidung (Brit Milah) muss am 8. Tag nach der Geburt des Buben stattfinden, auch wenn gerade Sabbat oder Jom Kippur sein sollte, denn die Beschneidung gilt als besonders wichtiges Gebot. Sie wird im Judentum als Zeichen des Bundes Gottes mit dem jüdischen Volk gesehen.
Schon im alten Ägypten der Pharaonen war dieser Brauch der Beschneidung Usus. Und eben aus Hygienegründen, wie schon oft gesagt. Zu den Juden - eigentlich den Hebräern - kam dieser Brauch, als Moses mit den Israeliten aus Ägypten auszog.
Im Islam wiederum wird die Beschneidung im Koran nicht direkt erwähnt, gleichwohl ist sie als Sunna (Brauch, gewohnte Handlungsweise, überlieferte Norm) weit verbreitet.
Sie wird heute von vielen Muslimen als integraler Bestandteil des Islam angesehen, viele meinen, sie sei
für die rituelle Reinheit (Tahra) notwendig.
In manchen Ländern, zum Beispiel in der Türkei, werden Buben im späteren Kindesalter beschnitten. Bei der aus diesem Anlass veranstalteten Familienfeier können sich dann auch islamische Elemente mit traditionellen Elementen mischen. Dies lässt sich lediglich aus der Anweisung, der Religion Abrahams zu folgen, ableiten.
Die Beschneidung bei den Muslimen ist keine religiöse Pflicht. Der Prophet Mohamed war selbst nicht beschnitten. Dennoch wird die Beschneidung bei jedem muslimischen Mann als religiös-kulturelle Handlung vorgenommen. Es handelt sich dabei um eine Sitte, nicht um ein religiöses Gebot. Die Muslime werden also durch ein Beschneidungsverbot nicht direkt in ihrer Religionsausübung eingeschränkt.
Eine Lösung muss daher in erster Linie mit den betroffenen Juden alleine gefunden werden, und zwar ohne deren religiöse Gefühle zu verletzen.
Eine Debatte nach tausenden Jahren religiöser Praxis ohne Komplikationen darf nicht einen wichtigen Teil der Bevölkerung - in diesem Fall die Juden - benachteiligen. Deshalb muss in erster Linie mit den Juden darüber diskutiert werden, ob die Beschneidung beibehalten oder verboten werden soll. Der Staat muss einerseits alles zum Schutz der Kinder tun und andererseits den sozialen Frieden bewahren.