Die ÖVP konnte fast alle Gemeinden für sich gewinnen. Sellrain aber ist SPÖ-Hochburg - auch Virgen, Mils und Pfons wählten landesuntypisch.
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Innsbruck/Wien. Wir befinden uns im Jahre 2018 nach Christus. Die ÖVP konnte in den Tiroler Gemeinden bei den Landtagswahlen eine satte Mehrheit erzielen. In allen Gemeinden? Nein! Ein von scheinbar unbeugsamen Tirolern bevölkertes Dorf entschied sich anders: In der Gemeinde Sellrain wählten 41,6 Prozent SPÖ und machten die Gemeinde zur roten Hochburg umgeben von tiefschwarzer Erde. In ganz Tirol konnte die SPÖ "nur" 17,3 Prozent der Stimmen für sich verbuchen.
Aber auch die anderen Parteien feierten besondere Erfolge: Das grüne Pendant zu Sellrain ist Sistrans, wo die Partei mit 21,6 Prozent deutlich mehr als die 10,7 Prozent landesweit erreichte. Die Freiheitlichen erzielten mit 32,3 Prozent ihr bestes Ergebnis in Virgen in Osttirol, sonst durchschnittlich 15,5 Prozent. Die Liste Fritz punktete besonders in Pfons, die Neos in Mils - und die Volkspartei konnte ihren Stimmenanteil von ohnehin guten 44,3 Prozent landesweit in der Gemeinde Hinterhornbach mehr als verdoppeln.
Ein "schwarzes" Danke für Investitionen
Seitlich vom Tiroler Lechtal ist nur ein einziges Tal bewohnt: Hier befindet sich auf rund 1100 Metern Seehöhe die Gemeinde Hinterhornbach. Umgeben von mächtigen Berggipfeln, darunter der Hochvogel, leben 96 Einwohner. ÖVP-Bürgermeister Martin Kärle ist einer von ihnen, er darf freudig vermelden: Von den 57 Wahlberechtigten des Bergdorfs votierten 51 für die ÖVP - das ist mit 89,5 Prozent ein Rekordwert bei dieser Wahl und auch in der Gemeinde.
Warum? "Weil wir uns auf unseren Landeshauptmann Günther Platter verlassen können, auch wenn wir mal was brauchen. Das wissen die Leute", erklärt Kärle. Konkret wird in dem kleinen Ort heuer ein neuer Recycling-Bauhof um rund 500.000 Euro fertiggestellt. Auch bei Gemeindewohnungen und einer Heizanlage "hat uns das Land unter die Arme gegriffen". Die Einwohner pendeln, sofern sie nicht einen der raren Tourismus-Arbeitsplätze im Ort ergattert haben, zu Firmen wie Plansee oder Multivac ins fast 30 Kilometer entfernte Reutte. Vom Einkommen eines Bergbauern könne man heute nicht mehr leben. Also bedankt man sich für Landesinvestition mit seiner Stimme beim Landeshauptmann.
Auch in Spiss, Kappl und Galtür, allesamt im Bezirk Landeck, kam die ÖVP auf über 80 Prozent. Die größten Verluste musste sie in Virgen und Matrei in Osttirol mit jeweils minus 17 Prozentpunkten hinnehmen. Verschmerzbar, denn bis auf Lienz und Sellrain konnte die ÖVP bei diesen Wahlen alle Gemeinden schwarz einfärben.
Rotes "Urgestein" macht Sellrain zu roter Hochburg
Genau 310 von 742 abgegebenen Stimmen konnte die SPÖ in der 1500-Seelen-Gemeinde Sellrain für sich erzielen - das sind 41,6 Prozent und 17,4 Prozentpunkte mehr als 2013. Der Grund für diesen ungewöhnlichen SPÖ-Teilerfolg ist an den Vorzugsstimmen erkennbar: Es ist Georg Dornauer, dem 280 Sellrainer ihren Vorzug gaben. Er ist seit 2016 Bürgermeister, kommt aus einer sozialdemokratischen Familie, ist nicht nur Georg, sondern nach Vater und Großvater auch Sozialdemokrat in dritter Generation - rotes, wenn auch erst 34-jähriges "Urgestein".
Dornauer hat sich nicht erst als Landeslisten-Zweiter hinter Spitzenkandidatin Elisabeth Blanik einen Namen gemacht, sondern bereits als Vizebürgermeister 2015 bei der Hochwasser-Katastrophe: 40 Häuser waren vermurt, teils gänzlich zerstört, auch drei Brücken mussten erneuert werden. Dornauer koordinierte die Sanierung mit dem Katastrophenschutzfonds, rund 25 bis 30 Millionen Euro flossen in Wiederaufbau. Man dankte ihm 2016, machte ihn nach langen Jahren ÖVP- zum SPÖ-Bürgermeister. "Ich mache Politik mit und für die Leute. Das haben die mehr als 41 Prozent jetzt bestätigt", sagt er heute.
Sollte die ÖVP mit der SPÖ die Regierung verhandeln, ist er in Blaniks Verhandlungsteam. In deren Heimatgemeinde Lienz erreichte die SPÖ 37,2 Prozent. Gute Ergebnisse gab es auch in Nußdorf-Debant und Dölsach, das größte Minus in Kaltenbach: Hier trat der Landtagsabgeordnete Klaus Gasteiger nicht mehr an, was die SPÖ gegenüber 2013 auf 17,4 Prozent halbierte. Komplett leer ging die SPÖ in Hinterhornbach und Jungholz aus.
Die FPÖ schnitt in vielen Gemeinden besser ab
Die Freiheitlichen verbuchten bei dieser Wahl mit 15,5 Prozent das deutlichste Plus aller Parteien - und zwar plus 6,2 Prozentpunkte. Ihr bestes Ergebnis aber erzielten sie in Virgen in Osttirol: Mit plus 15,7 und nun 32,3 Prozent landete die FPÖ in der 2200-Einwohner-Gemeinde auf Platz zwei hinter der ÖVP, die verlor 17,3 Prozentpunkte und hat nun 37,8 Prozent. Dietmar Ruggenthaler, seit 26 Jahren Bürgermeister und parteilos, erklärt das Ergebnis als hausgemachtes: "Die Leute haben ihren Frust über die Landesregierung rausgelassen." Bei Naturschutzumwidmungen sei man über die Sorgen der Bürger wegen der wirtschaftlichen Entwicklung des Virgentals hinweggefahren. "Man fühlt sich vom restlichen Tirol abgeschnitten, von Innsbruck benachteiligt", sagt auch Politologe Peter Filzmaier.
Die FPÖ schaffte in 29 Gemeinden über 20 Prozent. Das größte Minus mit 18,2 Prozentpunkten verbuchte die FPÖ in Gerald Hausers Gemeinde St. Jakob im Defereggen, der beim letzten Mal FPÖ-Spitzenkandidat war.
Urbane Wähler tendieren zu den Grünen
Die Grünen schnitten vor allem in Innsbruck mit 19 Prozent der Stimmen und in den Umlandgemeinden stark ab, etwa in Sistrans mit 21,6, Aldrans mit 17,8 oder Mutters mit 17 Prozent. Filzmaier wundert das nicht: "Innsbruck ist Universitätsstadt, die Grünen sind die Partei der Studierenden, genauso wie die ÖVP die Partei der Bauern ist." Den ersten Platz in Innsbruck konnten die Grünen aber nicht behaupten: Sie landeten hinter der ÖVP mit 25,9 Prozent und der SPÖ mit 22,8 Prozent auf Platz drei.
Die Liste Fritz punktete nur in manchen Regionen
Ihr bestes Ergebnis erzielte die Liste Fritz in Pfons mit 10,2 Prozent der Stimmen, allerdings deutlich hinter dem Gemeindesieger ÖVP mit 46 Prozent. Ebenfalls fast zehn Prozent gab es in den Gemeinden Kartitsch, Unterperfuss und Oberperfuss. Letztere ist die Heimatgemeinde von Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider.
Kandidaten-Bonus führt zu Neos-Erfolgen
In Mils bei Imst schnitten die Neos mit 25,2 Prozent (landesweit 5,2) besonders gut ab. Der Grund dürfte hierfür Ortschef Markus Moser sein. Er war auf der Landesliste der Neos an dritter Stelle gereiht. Ebenfalls zweistellig schnitten die Neos in Bichlbach mit 13,1 Prozent und Ehrwald mit 10,8 Prozent ab.